Enzyme
Enzyme sind spezialisierte organische Substanzen, meist Polymere aus Aminosäuren Aminosäuren sind Carbonsäuren, bei denen an Kohlenstoff gebundene Wasserstoffatome durch eine Aminogruppe ausgetauscht wurden. Aminosäuren sind die Bausteine der Proteine. , die als Biokatalysatoren wirken und im Stoffwechsel der Lebewesen fast alle chemischen Reaktionen steuern bzw. an fast allen Stoffumsetzungen in einer Zelle beteiligt sind. Der Begriff Enzym wurde 1867 von dem deutschen Physiologen Wilhelm Kühne (1837-1900) geprägt; er leitet sich von dem griechischen Ausdruck en zym („in der Hefe“) ab. Heute kennt man viele tausend Enzyme.
Nach den jeweils katalysierten chemischen Reaktionen kann man mehrere große Gruppen von Enzymen unterscheiden, z. B. hydrolytische, oxidierende und reduzierende Enzyme. Hydrolytische Enzyme beschleunigen Reaktionen, bei denen Moleküle unter Wasseranlagerung in einfachere Grundbausteine zerlegt werden. Die oxidierenden Enzyme, auch Oxidasen Siehe Enzyme. genannt, setzen Oxidationsreaktionen in Gang, und reduzierende Enzyme sorgen für Reduktionsreaktionen, bei denen Sauerstoff abgespalten wird. Daneben kennt man viele Enzyme, die andere Reaktionen katalysieren. Die Namen von Enzymen erkennt man an der Endung „-ase“, die an die Bezeichnung für das Substrat Für das Wachstum von Mikroorganismen geeigneter Nährboden oder ggf. auch Oberflächen bzw. Untergründe. oder die katalysierte Reaktion angefügt wird. Urease ist z. B. das Enzym, das für den Abbau von Harnstoff (lateinisch urea) sorgt, und Enzyme, die Proteine hydrolysieren, bezeichnet man als Proteasen. Manche Enzyme, beispielsweise die Proteasen Trypsin und Chymotrypsin, haben jedoch die Namen behalten, die man ihnen vor der Einführung dieser einheitlichen Nomenklatur gegeben hatte.
Wie der schwedische Chemiker Jöns Jakob von Berzelius schon 1823 erkannte, sind Enzyme typische Katalysatoren: Sie beschleunigen chemische Reaktionen, ohne dass sie selbst dabei verbraucht werden. Manche Enzyme, beispielsweise Pepsin Eiweißspaltendes Enzym des Magensaftes. und Trypsin, die der Verdauung von Fleisch dienen, katalysieren viele verschiedene Reaktionen; andere, so die Urease, sind wählerisch und setzen nur eine einzige Reaktion in Gang. Wieder andere setzen Energie frei, die das Herz schlagen lässt und auch den anderen Muskeln die Kontraktion ermöglicht. Viele Enzyme setzen Zucker und weitere Nährstoffe Nährstoffe dürfen weder mit den Begriffen Nährboden oder Nährmedien verwechselt werden. Mit Nährstoffe werden die Partikel bezeichnet, die sich als zu den Verbindungen um, die der Organismus braucht, um Gewebe aufzubauen, verbrauchte Blutzellen zu ersetzen und viele andere Tätigkeiten auszuführen. Pepsin, Trypsin und einige andere Enzyme besitzen zusätzlich die seltsame Eigenschaft der Autokatalyse, d. h., sie sorgen für ihre eigene Produktion aus einer inaktiven Vorstufe, dem Zymogen. Deshalb können sich diese Enzyme auch im Reagenzglas neu bilden.
Enzyme arbeiten höchst effizient. Eine winzige Enzymmenge bringt bei Körpertemperatur chemische Reaktionen zuwege, die man mit den üblichen Mitteln der Chemie nur durch Einsatz aggressiver Chemikalien und bei hohen Temperaturen in Gang setzen könnte. Etwa 30 Gramm reines, kristallines Pepsin würden beispielsweise ausreichen, um innerhalb weniger Stunden mehr als zwei Tonnen Hühnereiweiß abzubauen. Enzymreaktionen laufen nach einer etwas anderen Kinetik ab, als die einfachen Umsetzungen der anorganischen Chemie. Die meisten Enzyme suchen sich sehr gezielt die Substanzen aus, die sie umsetzen, und entfalten ihre maximale Aktivität bei einer ganz bestimmten Temperatur Die Temperatur (lat. temperare = ins richtige Mischungsverhältnis bringen) ist ein messbares Maß für den Wärmeinhalt eines Stoffes. Die Temperatur . Ein Temperaturanstieg kann die Reaktion zwar beschleunigen, aber Enzyme werden instabil, wenn man sie erhitzt. Die Katalysatoraktivität eines Enzyms wird von der Aminosäuresequenz und der in ihr festgelegten Tertiärstruktur bestimmt, d. h. von der räumlichen Faltung der Molekülkette. Viele Enzyme brauchen für ihre Tätigkeit einen Cofaktor, der entweder ein Ion oder ein kleines Molekül sein kann. Die körpereigenen Zellen werden in der Regel nicht von den Enzymen angegriffen. Abgestorbene Zellen dagegen werden schnell von proteinabbauenden Enzymen beseitigt. Solange die Zelle lebt, ist ihre Membran nämlich für manche Enzyme undurchlässig. Sobald sie aber stirbt, wird die Membran undicht, so dass die Abbauenzyme eindringen können. Manche Zellen enthalten auch Hemmstoffe, welche die Tätigkeit bestimmter Enzyme verhindern. Die alkoholische Gärung und andere industriell wichtige Vorgänge basieren auf der Tätigkeit von Enzymen, die von Hefe- oder Bakterienzellen produziert werden. Eine ganze Reihe von Enzymen wird auch zu medizinischen Zwecken eingesetzt, so z. B. bei der Behandlung örtlicher Entzündungen; Trypsin dient zur Entfernung von Fremdstoffen und abgestorbenem Gewebe aus Wunden.
Die älteste bekannte Enzymreaktion ist zweifellos die alkoholische Gärung. Man hielt sie aber ebenso wie andere ähnliche Vorgänge für Reaktionen, die von selbst ablaufen; erst 1857 wies der französische Chemiker Louis Pasteur nach, dass Gärung in Gegenwart lebender Zellen abläuft. Der deutsche Chemiker Eduard Buchner entdeckte 1897, dass auch ein zellfreier Hefeextrakt Der Hefeextrakt ist ein, durch wässrigen Auszug von autolysierter Bierhefe und anschließender Eindampfung, gewonnenes Pulver, das in der Mikrobiologie häufig alkoholische Gärung in Gang setzt. Damit war ein altes Rätsel gelöst: Die Hefe produziert ein Enzym, das für die Gärung sorgt. Schon 1783 hatte der italienische Biologe Lazzaro Spallanzani beobachtet, dass Fleisch von Magensaft, den er aus Falken gewonnen hatte, verdaut wird. In diesem Experiment vollzog er wahrscheinlich zum ersten Mal eine biochemische Reaktion außerhalb eines Lebewesens nach. Nach Buchners Entdeckung setzte sich allgemein die Ansicht durch, dass die Gärung und auch sämtliche anderen biochemischen Reaktionen von Enzymen verursacht werden, aber alle Versuche, diese Substanzen zu isolieren und ihren chemischen Aufbau zu ermitteln, schlugen zunächst fehl. Erst 1926 gelang es dem amerikanischen Biochemiker James B. Sumner, die Urease zu isolieren und in kristalliner Form darzustellen. Vier Jahre später reinigte und kristallisierte John H. Northrop, ebenfalls aus den USA, Pepsin und Trypsin. Nun stellte sich heraus, dass es sich bei den Enzymen um Proteine handelt, und Northrop wies nach, dass das Protein (von griech. = erster, vorderster, wichtigster) übliche Bezeichnung für einen einfachen Eiweißkörper, der nur aus Aminosäuren aufgebaut ist. Proteine spielen tatsächlich das Enzym und nicht nur Träger für eine andere Verbindung ist.
In jüngster Zeit haben wissenschaftliche Untersuchungen der Enzyme neue Aufschlüsse über einige Grundfunktionen des Lebens geliefert. Die Ribonuclease, ein Enzym mit einfacher Raumstruktur, das 1938 von dem amerikanischen Bakteriologen René Dubos entdeckt und 1946 von seinem Landsmann, dem Chemiker Moses Kunitz gereinigt wurde, stellten amerikanische Forscher 1969 erstmals künstlich her. Bei der Synthese fügten sie 124 Molekülbausteine in genau festgelegter Reihenfolge zu einem Makromolekül zusammen. Da es gleichzeitig gelang, in dem Molekül diejenigen Teile zu identifizieren, die für die chemische Funktion verantwortlich sind, eröffnete sich nun auch die Möglichkeit, gezielt in der Natur nicht vorkommende Enzyme mit besonderen Eigenschaften herzustellen. Durch gentechnische Veränderungen können Enzyme mit bestimmten Reaktionen hergestellt werden, so dass Zellen mit bestimmten Stoffwechselleistungen gezüchtet werden können. Diese Aussichten haben sich in jüngster Zeit durch die Methoden der Gentechnologie weiter verbessert, denn jetzt können manche Enzyme in großen Mengen hergestellt werden.