Nanobeschichtungen

Mit der Nanotechnologie eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten, Materialeigenschaften gezielt zu beeinflussen und zu nutzen. Ein Nanometer ist 0,000001 mm, damit stößt diese Technik bereits in den atomaren Bereich vor. Auf der anderen Seite hat der Begriff Nano, Nanotechnologie oder Nanobeschichtung bereits inflationäre Züge angenommen und nicht alles, was heute unter diesem Synonym angeboten wird, stellt wirklich eine Innovation dar. Zunächst einmal muss deshalb bei der Definition unterschieden werden, ob es sich um Beschichtungsstoffe mit nanoskalierten Oberflächen oder um zugesetzte Füllstoffe und Additive in Nanogröße handelt.

Beschichtungsstoffe mit nanoskalierter Oberfläche stellen keine neue Entwicklung dar. Lediglich die Weiterentwicklung in der Messtechnik und Diagnostik erlaubt es heute der Forschung, in nanoskalierte Dimensionen vorzudringen und somit die vorhandene Oberfläche einer Beschichtung in einer unvorstellbar kleinen Größe sichtbar zu machen. Hierbei wird häufig vergessen, dass diese Oberfläche – auch in dieser Dimension – auch in der Vergangenheit schon vorhanden gewesen ist, als die Messtechnik diese (noch) nicht sichtbar machen konnte. Diese Entwicklung war der Auslöser, um in die aktive Entwicklung von nanoskalierten Füllstoffen und Additiven einzusteigen. Zielsetzung sind verschiedene Oberflächeneffekte.

Hierzu gehören:

  • Antistaubeffekt (durch nanochemische Benetzung)
  • Abperleffekt (superhydrophobe / stark wasserabweisende Oberfläche)
  • Spreizeffekt (superhydrophile Oberflächen, der Wasserfilm spreizt sich aus)
  • Photokatalyse Die Definition einer Photokatalyse ist unter Experten umstritten. Nach Plotnikow kann jede durch Licht ausgelöste chemische Reaktion als photokatalytisch bezeichnet (spezielle Titandioxid-Pigmente als Katalysator, die mit UV-Licht reagieren und die chemische Zersetzung von organischen und/oder mikrobiellen Substanzen an der Oberfläche bewirken)

In Bezug auf mikrobiell befallene Oberflächen waren hoch Wasser abweisende Oberflächen der erste Ansatz. Bekanntestes Beispiel sind Farben mit dem Lotus-Effekt, die über eine extrem hohe Hydrophobie und einer nanoskalierten Oberfläche verfügen. Infolgedessen soll die Oberfläche möglichst lange trocken bleiben, so dass die Wachstumsbedingungen Siehe Wachstumsvoraussetzungen. für Mikroorganismen Mikroorganismen stellen die Wurzel des „Stammbaums des Lebens“ auf der Erde dar. Sie produzieren etwa zwei Drittel der gesamten Biomasse verschlechtert werden. Die Erfahrung seit Einführung dieser Technologie (2000) hat gezeigt, dass dieser Ansatz allein nicht ausreicht, um das Problem der (chemischen und mikrobiellen) Verschmutzung zu lösen. Dies belegen vor allem Fassaden an stark befahrenen Straßen mit einer hohen Feinstaubbelastung. Weitere Ansätze aus jüngerer Vergangenheit sind z. B. so genannte Infrarot-aktive Farben (IR) sowie der Einsatz von Zuschlagsstoffen mit dem Latentwärmespeicher-Effekt (PCM = Phase Changing Materials).

Bei den IR-Farben wird die Wärmeabstrahlung (langwellige Strahlung) herabgesetzt. Dies erfolgt durch spezielle Pigmente im oberflächennahen Bereich und soll ein Absinken der Oberflächentemperatur Entgegen der allgemeinen Auffassung beschreibt die Oberflächentemperatur nicht den Temperaturbereich auf einer Baustoff- oder Bauteiloberfläche. Vielmehr ist der Grenzbereich zwischen unter den Taupunkt Der Taupunkt bezeichnet die Temperatur, bei der die Feuchtigkeit in der Luft an einem Gegenstand kondensiert. Er wird in °C verhindern. Besonders im Frühjahr und Herbst, wenn wärmere Tage und kühlere Nächte keine Seltenheit sind, soll diese Technologie den Zeitraum der Kondensation Von lateinisch condensare = verdichten. Kondensation ist in der physikalischen Chemie der Übergang eines Stoffes vom gasförmigen in den flüssigen deutlich verkürzen – aufgrund der Unterschreitung des Taupunktes in den frühen Morgenstunden lässt sich allerdings eine Betauung der Oberfläche mit IR-Farben nicht ganz ausschließen.

Bei den Beschichtungen mit Latentwärmespeicher ist die Zielsetzung gleich, allerdings unterscheidet sich die Technologie. Eingesetzt werden funktionelle Füllstoffe, mit denen tagsüber Wärme Wärme (Wärmemenge) ist eine physikalische Größe. In der Thermodynamik ist Wärme eine über Systemgrenzen hinweg transportierte thermische Energie. Wärme ist gespeichert und nachts verzögert wieder abgegeben werden soll. Hierbei handelt es sich um kunststoffumhüllte Wachskügelchen mit einem individuell einstellbaren Schmelz- und Erstarrungspunkt. Dieser liegt je nach Füllstoff zwischen Null und 30°C. Aufgrund der Wärmeaufnahme schmelzen diese Wachskügelchen tagsüber und halten die Temperatur Die Temperatur (lat. temperare = ins richtige Mischungsverhältnis bringen) ist ein messbares Maß für den Wärmeinhalt eines Stoffes. Die Temperatur konstant. In den Nachtstunden erstarren diese und geben hierbei die Wärme an der Oberfläche wieder ab. Besonders vorteilhaft sind Putzbeschichtungen mit PCM, da aufgrund der Schichtdicken eine höhere Menge an Füllstoffen zugegeben werden kann. Die Effizienz kann noch gesteigert werden, wenn beide Maßnahmen (PCM und IR) kombiniert werden. Damit lässt sich die Unterschreitung der Taupunkttemperatur Die Taupunkttemperatur ist ein Maß für den Feuchtegehalt der Luft. Sie ist die Temperatur, bei der der Wasserdampfgehalt der Luft eines Standard-Dünnputz-Systems mit weißem Anstrich (650 h) auf unter 1/5 dieses Wertes reduzieren.

Alternativ werden auch Beschichtungsstoffe mit Leichtfüllstoffen (z. B. kleinste Hohlkörper aus Glas, Keramik oder Kunststoff) angeboten, die über eine reduzierte Wärmeleitfähigkeit verfügen. In der Theorie soll die gespeicherte Wärme in der Beschichtung gehalten und infolgedessen die Auskühlung reduziert werden. Messtechnisch konnte dieser Effekt noch nicht nachgewiesen werden, was angesichts der Schichtdicken einer Fassadenfarbe von gerade einmal 100 bis 200 µm nachvollziehbar ist.

Auch der aktuelle Ansatz mit der Zugabe von Nano-Silber stellt keine echte Alternative dar. Es ist zwar seit Jahrhunderten bekannt, dass Silber eine antibakterielle Wirkung hat. Eine Fungizide (von lateinisch fungus = Pilz und caedere = töten, vernichten) gehören zur Gruppe der Biozide. Es sind Substanzen unterschiedlicher chemischer oder Algizide Algizide sind Wirkstoffe oder Wirkstoffkombinationen zum Abtöten von Algen. Diese algiziden Zusätze gehören zur Gruppe der Biozide und werden entweder Wirkung geht von den in diesen Farben üblichen Mengen an Nano-Silber von 15 bis 30 Ppm Die Hilfseinheit parts per million (ppm, zu deutsch „Teile von einer Million“) steht für die Zahl 10-6 und wird in nicht aus. Hierzu müssten Mengen eingesetzt werden, die einerseits unbezahlbar sind. Auf der anderen Seite würden diese Farben einen nicht hinnehmbaren Graustich aufweisen. Die fungizide Wirkung in Beschichtungen mit Nano-Silber geht von den ebenfalls zugesetzten Bioziden aus.

Alle diese Beschichtungen stecken noch in den Anfängen und haben sich unter praktischen Bedingungen (Untergründe, Verarbeitung, Witterung etc.) entweder noch nicht bewährt oder sind bisher den Beweis schuldig geblieben. Allerdings zeigt die Entwicklung, dass „moderne“ Probleme auch mit „modernen“ Lösungen angegangen werden sollten. Die Nanotechnologie ist hierbei nicht der einzige Weg, aber ein sehr interessanter und innovativer, um mittelfristig auf den Einsatz von Bioziden verzichten zu können.