Sanierung

Handlungsempfehlungen für Fußböden

Seitdem das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg (LGA) im Jahre 2001 die beiden Leitfäden „ Schimmelpilze Pilze sind weit verbreitete Organismen auf der Erde und besiedeln unterschiedlichste Substrate, auf oder in denen sie auf Grund ihrer in Innenräumen – Nachweis, Bewertung, Qualitätsmanagement“ und „Handlungsempfehlung für die Sanierung Der Begriff Sanierung im Kontext der Schimmelpilzsanierung beschreibt die Beseitigung von Gefahren, Gefährdungen oder Belästigungen durch mikrobiellen Befall bis hin von mit Schimmelpilzen befallenen Innenräumen“ herausbrachte, gab es immer wieder Streit darüber, ob und wann und unter welchen Voraussetzungen ein Fußboden nach einem Wasserschaden Siehe sporadische Wasserschäden. aus hygienischer Sicht ausgebaut werden muss ( Rückbau Entfernen von Bau- oder Einbauteilen. ) oder nicht. Ursache hierfür war, dass sich in beiden Leitfäden, obwohl diese eine neue Ära in der Schimmelpilzanalyse, -bewertung und -sanierung eingeleitet haben, nur allgemeine Empfehlungen und keine konkreten Vorgaben befanden. Gleiches galt für die beiden Leitfäden des Umweltbundesamtes ( UBA Siehe Umweltbundesamt. ), die ein Jahr später mit dem Titel „Leitfaden zur Vorbeugung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung von Schimmelpilzwachstum in Innenräumen“ und 2005 mit dem Titel „zur Ursachensuche und Sanierung bei Schimmelpilzwachstum in Innenräumen“ erschienen. Letzterer gab erstmals konkrete Handlungsanleitungen, allerdings nicht zu der o. g. Problematik. Seitdem wurden zahlreiche Richtlinien und Merkblätter von unterschiedlichen Institutionen erarbeitet, die nicht immer ganz widerspruchsfrei waren. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn die Empfehlungen der unterschiedlichen Herausgeber aufeinander abgestimmt gewesen wären.

Der aktuelle Leitfaden „Zur Vorbeugung, Erfassung und Sanierung von Schimmelbefall in Gebäuden“ des Umweltbundesamtes aus dem Jahre 2017 schafft in diesem Punkt Klarheit und gibt in Anlage 6 eine umfangreiche Handlungsempfehlung zur Beurteilung von Feuchte- und Schimmelpilzschäden in Fußböden. Diese gibt Orientierung und schafft eine Entscheidungsgrundlage, kann aber keine individuelle Einschätzung und/oder gutachterliche Stellungnahme ersetzen, so dass die Entscheidung vor Ort sowie die damit verbundene Verantwortung immer eine Einzelfallentscheidung des Sachverständigen bleibt. Hierbei muss beachtet werden, dass eine Bewertung von Feuchteschäden in Fußböden nicht nur auf Grundlage von mikrobiologischen und/oder hygienischen Gesichtspunkten erfolgt, sondern auch unter bautechnischen. Schließlich werden einige Baustoffe bei einem Wasserschaden irreversibel zerstört (z. B. Gipskartenplatten) oder verlieren ihre ursprünglichen und spezifischen Eigenschaften (z. B. Dämmstoffe). In einigen Fällen kann auch die Tragfähigkeit bestimmter Fußbodenkonstruktionen unterschritten werden. Letztendlich verursachen derart massive bauliche Eingriffe hohe Kosten für Eigentümer oder Versicherungen, so dass eine Entscheidung über einen möglichen Rückbau weitreichende Konsequenzen hat und alle Aspekte berücksichtigt werden müssen. Unnötige Rückbaumaßnahmen aus übertriebener Vorsicht aufgrund theoretisch möglicher Szenarien sollten daher vermieden werden. Alternative Möglichkeiten wie z. B. das Fluten der Fußbodenkonstruktion mit Bioziden sollten immer ergebnisoffen geprüft werden, auch wenn der Einsatz von Bioziden in Innenräumen möglichst zu vermeiden ist. Generell sollten Entscheidungen nicht immer nach dem Motto „entweder/oder“ oder „ganz oder gar nicht“ erfolgen, sondern situationsspezifisch und angemessen. Bestes Beispiel ist die Randfugensanierung, bei der gezielte Maßnahmen punktuell durchgeführt werden.

Grundlage der Handlungsempfehlungen sind die eingeführten Nutzungsklassen. Allerdings gelten diese in erster Linie nur für die Nutzungsklasse II (normale Anforderungen). Hierzu gehören privat genutzte Innenräume wie z. B. Wohn-, Schlaf- und Kinderzimmer, Küchen, Bäder und Toiletten sowie Flure. Außerdem gehören so genannte Nebenräume wie Keller-, Hobby- und Hauswirtschaftsräume, Waschküchen und Dachgeschossräume oder Abstellräume aller Art hierzu. Hinzu kommen wohnähnliche Aufenthaltsräume wie Büros, Innenräume in Schulen und Kindergärten. Rein formal gelten damit die Empfehlungen nicht für die Nutzungsklasse III (reduzierte Anforderungen), weil man von einer geringeren Exposition (von lat. exponere, expositum = herausstellen, aussetzen) Grad der Gefährdung für einen Organismus, der sich aus der Häufigkeit und Intensität ausgeht. Es wird allerdings empfohlen, die Anwendung dieser Empfehlungen auch für Innenräume ohne direkten Zugang zum Wohnbereich wie z. B. Treppenhäuser, Garagen oder nicht ausgebaute Dachgeschosse zu prüfen.

Die Handlungsempfehlungen gelten explizit nicht für gewerbliche Nassräume wie z. B. Großküchen, Schwimmbäder oder Produktionsräume in der Lebensmittelverarbeitenden Industrie und dgl. Ebenfalls gelten diese nicht für Innenräume der Nutzungsklasse I (spezielle, sehr hohe Anforderungen wegen individueller Disposition). Hierzu gehören Innenräume, in denen sich besonders empfindliche Personengruppen oder auch Risikogruppen aufhalten wie z. B. Krankenhäuser und dgl. In diesen Bereichen sind die üblichen Anforderungen für die Technische Bautrocknung Grundsätzlich werden vier Arten der Bautrocknung unterschieden: Entfeuchtung der Raumluft, dadurch Beschleunigung der Trocknung des Bauteils nach innen, Einblasen von in der Regel unzureichend.




Auf Grundlage dieser Nutzungsklassen wurde ein Bewertungsschema entwickelt, das auf vier unterschiedlichen Szenarien aufbaut bzw. sechs Kriterien definiert und Aufwand und Nutzen in ein angemessenes Verhältnis setzt. So greift die Bewertungsstufe 1 auf Erfahrungen aus der Praxis zurück und definiert mikrobiologische und/oder technische Ausschlusskriterien, so dass eine Bewertung aufgrund der Eindeutigkeit des Schadens auch ohne aufwändige Untersuchungen und mikrobiologische Analysen möglich ist (ausgenommen hiervon sind ggf. juristische Aspekte). Grundvoraussetzung ist, dass der Fußbodenaufbau bekannt ist.

  1. Szenario: ein Rückbau feuchtebelasteter Baustoffe in der Fußbodenkonstruktion ist in der Regel nicht notwendig, wenn die Durchfeuchtung Der Begriff der Durchfeuchtung wird in Bezug auf Neu- und Altbauten sowie im Rahmen der Bauwerkserhaltung sehr vielfältig benutzt. Im durch sauberes Wasser erfolgte, kein Vorschaden vorliegt, ein mikrobielles Wachstum nicht zu erwarten ist und die Baustoffe in der Fußbodenkonstruktion relativ schnell (innerhalb von max. 1 Monat) getrocknet werden können.
  2. Szenario: ein Rückbau feuchtebelasteter Baustoffe in der Fußbodenkonstruktion wird empfohlen, wenn sich die technische Bautrocknung Siehe Technische Bautrocknung. entweder über einen längeren Zeitraum hinzieht (z. B. > 3 Monate) oder bereits (unentdeckt) hingezogen hat, ein Wiederholungsfall vorliegt und/oder Baustoffe betroffen sind, bei denen von einem signifikanten Wachstum ausgegangen wird.
  3. Szenario: ein Rückbau feuchtebelasteter Baustoffe in der Fußbodenkonstruktion wird empfohlen, wenn eine technische Bautrocknung aus technischen Gründen nicht möglich ist und/oder aus wirtschaftlichen Überlegungen nicht vertretbar ist. Dies liegt vor allem bei Baustoffen wie z. B. Dämmstoffen vor, die infolge der Feuchteeinwirkung und/oder durch die Bautrocknung ihre spezifischen und funktionsrelevanten Eigenschaften ( Wärmedämmung Wärmedämmung ist der Oberbegriff für bautechnische Maßnahmen an Gebäuden und die effizienteste Maßnahme zur Einsparung von Heiz- und Kühlenergie sowie ) verlieren. Gleiches gilt für Materialien, die nur sehr kostenaufwändig oder gar nicht getrocknet werden können. Die Bautrocknung eines nassen Verbundestrichs ist meistens ebenfalls unrentabel. Vor dem Rückbau sollte allerdings überprüft werden, ob eine technische Bautrocknung möglich ist, nach dem z. B. die Bodenbeläge entfernt wurden. Eine Trocknung sollte innerhalb von 4 Wochen erreicht werden, ohne dass es zu einer Geruchsbelästigung kommt. Außerdem ist zu prüfen, ob aufgehende Wände im Anschlussbereich zum Fußboden durchfeuchtet und ggf. mikrobiell befallen sind.
  4. Szenario: ein Rückbau des Fußbodenaufbaus wird empfohlen, wenn eine auffällige Geruchsbildung vorliegt oder diese nach einer erfolgreichen Bautrocknung nicht ausgeschlossen werden kann. Hierfür sind in der Regel Zersetzungsprozesse feuchter Materialien oder verunreinigtes Wasser (Schmutzwasser oder fäkalhaltiges Abwasser) verantwortlich. Hierbei muss eindeutig feststehen, dass die Geruchsbildung dem Wasserschaden zuzuordnen ist.

In diesen 4 Szenarien ist eine mikrobiologische Untersuchung aus unterschiedlichen Gründen nicht notwendig. In allen anderen Fällen muss diese durchgeführt werden und dient als Grundlage für die zweite Bewertungsstufe. Diese ist nach sechs Kriterien gegliedert. Im Kriterium I wird zunächst die erwähnte Untersuchung empfohlen. Diese stellt die Grundlage dar, um zusätzliche Kriterien zu berücksichtigen:

Anschließend erfolgt eine ganzheitliche Bewertung der Situation anhand der sechs Kriterien. Wurde ein Mikrobieller Befall Als Mikroorganismen werden eine Reihe sehr unterschiedlicher Organismen bezeichnet, deren charakteristische Eigenschaft ihre geringe Größe ist. Sie werden ausgehend von in der Fußbodenkonstruktion eindeutig festgestellt, ist ein Rückbau in den meisten Fällen unumgänglich. Wurde kein oder nur ein geringer mikrobieller Befall Unter Befall wird die Besiedlung durch Schadorganismen (Mikroorganismen, Insekten oder Holzschädlinge) und die nachfolgende Einwirkung der Organismen auf das Holz, festgestellt, wird ein Rückbau in den meisten Fällen nicht notwendig sein. Allerdings muss dann über individuelle Maßnahmen sichergestellt werden, dass auch zu einem späteren Zeitpunkt ein mikrobieller Befall ausgeschlossen werden kann. Bei der Bewertung durch den Sachverständigen darf nicht nur die aktuelle Situation bewertet werden, sondern auch eine mögliche Exposition für die Nutzer des betroffenen Innenraumes, wenn der Fußboden geöffnet wird.




Das Umweltbundesamt Zu den Aufgaben des Umweltbundesamtes (UBA) gehören u. a. die wissenschaftliche Unterstützung und Beratung des BMU und der Bundesregierung in hat für eine schnelle Orientierung ein Ampelsystem entwickelt, mit dem eine einfache Bewertung vorgenommen werden kann. Wenn mindestens drei der Kriterien II bis VI im grünen Bereich liegen, ist ein Rückbau der Fußbodenkonstruktion in der Regel nicht erforderlich. Bei einer erhöhten Durchfeuchtung muss aber in jedem Fall eine unverzügliche Bautrocknung erfolgen. Je mehr Kriterien im roten Bereich liegen, desto mehr spricht für einen Rückbau des Fußbodens. Liegen die Kriterien im gelben Bereich oder sind über verschiedene Kategorien verteilt, muss immer eine individuelle Entscheidung des Einzelfalls getroffen werden. Unabhängig davon wird es in der Praxis immer Einzelfälle geben, die mit diesem Schema nicht abgedeckt werden können.

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