Sanierung

Wärmedämm-Verbundsystem

Ein Wärmedämm-Verbundsystem (kurz WDVS) ist ein aus mehreren Baustoffkomponenten aufeinander abgestimmtes System zur Wärmedämmung von Fassaden. Das früher auch als Thermohaut Veraltete Bezeichnung für die in den 1950er und 1960er Jahren auf Außenwände aufgebrachte verputzte Außendämmung mit nach heutigen Maßstäben vergleichsweise und heute umgangssprachlich immer noch als Vollwärmeschutz bezeichnete System wurde in den 1960-er Jahren erstmals ausgeführt und seitdem kontinuierlich weiterentwickelt.

Herzstück eines Wärmedämm-Verbundsystems ist der plattenförmige Wärmedämmstoff. Dieser definiert die grundlegenden Eigenschaften eines WDVS wie z. B. die Wärmeleitfähigkeit, das Brandverhalten oder auch die Resistenz (von lat. Resistere = sich widersetzen) Als Resistenz wird die Widerstandsfähigkeit des körpereigenen Immunsystems gegen bestimmte Krankheiten bzw. Krankheitserreger oder gegenüber Feuchtigkeit vor allem bei Hinterwanderung z. B. an Bauteilanschlüssen (z. B. Fensterbank) oder Konvektion Die Konvektion ist eine Form der Wärmeübertragung, bei der Wärmeenergie zwischen einem gasförmigen oder flüssigen Medium und einem festen Stoff infolge von Undichtigkeiten in der Gebäudehülle. Darüber hinaus beeinflusst der Preis der Dämmplatte die Gesamtkosten des WDVS. Bei den Dämmplatten für Wärmedämm-Verbundsysteme werden organische und anorganische Wärmedämmstoffe Wärmedämmstoffe sind Baustoffe organischer oder anorganischer Provenienz, die zur Begrenzung der Transmissionswärmeverluste von Gebäuden an oder innerhalb von Bauteilen angeordnet unterschieden. Zu den organischen Wärmedämmstoffen gehört vor allem Expandierter Polystyrol-Hartschaum (EPS). EPS ist mit ca. 60% Marktanteil der mit Abstand am meisten eingesetzte Wärmedämmstoff bei der energetischen Fassadensanierung. Ebenfalls auf organischer Basis sind Extrudierter Polystyrol-Hartschaum (XPS), Polyurethan-Hartschaum (PUR) und Phenolharz (oder Resol-Hartschaum). Alle diese Dämmstoffe werden künstlich (synthetisch) hergestellt. Außerdem gibt es natürliche Dämmstoffe auf organischer Basis wie z. B. Holzweichfaser, Kork, Hanf und Schilf. Von diesen Dämmstoffen haben mit 5 bis 10% nur Holzweichfaserplatten einen erwähnenswerten Marktanteil. Wichtigster Vertreter der anorganischen Wärmedämmstoffe ist die Mineralwolle (Stein- und Glaswolle). Diese hat einen Marktanteil von 25 bis 30% und nimmt nach EPS mit deutlichem Abstand den zweiten Platz unter den Dämmstoffen für WDVS ein. Daneben gibt es noch die Mineralschaumplatte und Calciumsilikat-Platte. EPS und Mineralwolle bilden zusammen knapp 90% des Marktes ab – und könnten unterschiedlicher z. B. in Bezug auf ihr Brandverhalten, der Wasseraufnahme und dem Diffusionsverhalten, der Materialpreise oder Recyclingfähigkeit nicht sein.

Fassadendämmplatten aus Polystyrol müssen der DIN EN 13163 „Wärmedämmstoffe für Gebäude – werkmäßig hergestellte Produkte aus expandiertem Polystyrol (EPS)“ entsprechen. Für Mineralwolle gilt dagegen die DIN EN 13162 „Wärmedämmstoffe für Gebäude – werkmäßig hergestellte Produkte aus Mineralwolle (MW)“. Die kompletten Systemspezifikationen sind in der DIN EN 13499 „Wärmedämmstoffe für Gebäude – Außenseitige Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS) aus expandiertem Polystyrol“ und in der DIN EN 13500 „Wärmedämmstoffe für Gebäude – Außenseitige Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS) aus Mineralwolle“ beschrieben.

Werden beide Dämmplatten mit „sortenreinen“ Baustoffkomponenten ausgeführt, spricht man entweder von einem rein mineralischen System (= Mineralwolle, mineralisch geklebt und armiert mit einem mineralischen Oberputz) oder einem rein organischen System (= EPS, organisch geklebt und armiert mit einem organischen Oberputz). In der Praxis werden allerdings eher selten reine Systeme ausgeführt, zumal die Systemhersteller die Kombination unterschiedlicher Baustoffkomponenten in ihren Zulassungen ausdrücklich zulassen.

In Deutschland muss die Verwendbarkeit eines Wärmedämm-Verbundsystems durch eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) oder in Kombination mit einer Europäisch-Technischen Zulassung (ETZ) bzw. Europäisch-Technischen Bewertung (ETB) über eine Verwendungszulassung nachgewiesen werden. Die Zulassung des DIBt (Deutsches Institut für Bautechnik) dokumentiert alle vom Systemhersteller vorgegebenen und im Gesamtsystem geprüften Komponenten (Kleber, Dämmplatte, Dübel, Armierungsschicht, Oberputz oder alternative Schlussbeschichtung) sowie die brandschutztechnisch relevanten Eigenschaften. Nicht bauaufsichtlich zugelassene Wärmedämm-Verbundsysteme, hierzu gehören auch objektspezifische Abweichungen bestehender Zulassungen, benötigen eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) durch die oberste Baubehörde. Dies gestaltet sich in der Praxis oft schwierig, so dass nicht selten schon mit der Baumaßnahme begonnen wird, obwohl die Zustimmung noch nicht vorliegt.

Die Dämmstoffplatte wird an die Außenwand je nach Tragfähigkeit des Untergrundes geklebt und/oder gedübelt. Bei ebenen Untergründen und/oder dünnen Wärmedämmplatten erfolgt die Verklebung vollflächig. Bei unebenen Untergründen erfolgt eine Punkt-Rand-Verklebung. Hierzu wird der Kleber an den Plattenkanten linienförmig und zusätzlich mit mindestens sechs Klebebatzen auf der Plattenfläche aufgetragen. Anschließend wird die Dämmplatte unter einer seitlichen Bewegung an die Wand verklebt und vorsichtig „eingeschwommen“. Somit wird eine vollflächige Verklebung ohne Hohlräume sichergestellt.

Je nach Tragfähigkeit des Untergrundes und/oder der Auswahl des Dämmstoffes und/oder je nach Gebäudehöhe und/oder Windbelastung erfolgt zusätzlich eine Verdübelung. Das Setzen der Systemdübel hängt von der Tragfähigkeit des Untergrundes (z. B. Länge) und/oder der Auswahl des Dämmstoffes (z. B. Anordnung der Dübel-Teller) und/oder der Windbelastung (Dübel-Schema) ab. Zudem ist die Art der Oberflächengestaltung und das damit verbundene Flächengewicht relevant. Werden z. B. Klinker, Fliesen oder andere keramische Beläge als Optik ausgewählt, müssen die Dübel durch das Armierungsgewebe gesetzt werden, ansonsten in der Regel nicht.

Anschließend wird eine Armierungsschicht aufgetragen und ein Armierungsgewebe vollflächig eingebettet, wobei die Ränder ca. 10 cm überlappen. Die Armierungsschicht besteht entweder aus einem mineralischen Spachtel, der organisch vergütet und faserarmiert ist, oder einem organisch gebundenen Spachtel. Die Schichtdicke ist vom Bindemittel der Armierungsschicht abhängig und beträgt zwischen 1,5 mm bis 5,0 mm. Bei so genannten Dickschichtsystemen kann die Armierungsschicht auch 8,0 bis 10,0 mm betragen.

Das Armierungsgewebe besteht in der Regel aus einem Glasfasergewebe. Dieses hat die primäre Aufgabe, Zugspannungen aufgrund von thermischen Belastungen (Hitze/Kälte infolge von Tag/Nacht oder Sommer/Winter) aufzunehmen und auf die Fläche der Armierungsschicht gleichmäßig zu verteilen, damit keine Spannungsrisse entstehen. An besonders kritischen Stellen wie z. B. Bauteilunterbrechungen oder Materialübergänge z. B. an Fenstern oder Rollladenkästen muss zusätzlich zur Flächenarmierung eine Diagonalarmierung ausgeführt werden. Somit sollen z. B. Kerbrisse verhindert werden.

Die Schlussbeschichtung besteht in der Regel aus einem Oberputz. Hierbei kann es sich um einen mineralischen oder einen organisch gebundenen Oberputz handeln. Mineralische Oberputze bestehen aus Kalk und Zement und werden bei einem Einsatz auf einem WDVS in der Regel zusätzlich organisch vergütet. Zu den organisch gebundenen Oberputzen gehören vor allem Kunstharz- und Silikonharzputze. Das Bindemittel ist eine Dispersion. So genannte Silikatputze müssten eigentlich Dispersions-Silikatputze genannt werden und sind rein normativ den organisch gebundenen Putzen zuzuordnen, auch wenn diese Putze aufgrund ihrer Ähnlichkeit oftmals den mineralischen Putzen zugeordnet werden.

Mineralische Oberputze werden in dünn- und dickschichtige Oberputze unterschieden. Während die dünnschichtigen Oberputze in Schichtdicke, Struktur und Verarbeitung mit den organisch gebundenen Oberputzen weitestgehend vergleichbar sind, unterscheidet sich der dickschichtige Edelkratzputz. Dieser wird zwischen 10 bis 15 mm dick aufgetragen und anschließend mit einem Nagelbrett oder Rabot abgerieben. Hierbei werden die Zuschläge herausgerieben, so dass die typische Putzstruktur entsteht. Typisch für den Edelkratzputz sind zudem, dass dieser nicht gestrichen wird und eine so genannte „Edelkreidung“ besitzt. Diesem „gewollten“ Abrieb der Oberfläche wird eine Art Selbstreinigung zugesprochen.

Bzgl. der Putzstruktur gibt es zwischen den mineralischen und organisch gebundenen Putzen einige Übereinstimmungen und einige wesentliche Unterschiede. Gemeinsamkeiten bestehen in den klassischen Putzstrukturen, auch wenn es für den Scheibenputz (Kratzputz), Reibeputz (Rillenputz), Filzputz (Faschenputz), Waschputz (Modellierputz), Spritzputz, Landhausputz (Rauputz), Streichputz (Rollputz) unterschiedliche Bezeichnungen gibt. Daneben gibt es ältere Putzstrukturen, die heute kaum noch angewendet werden wie z. B. Kellenwurf, Bossenputz (Steinputz), Rustikalputz, Besenstrichputz (Kammputz), Rapputz oder Schlämmputz.

Zwei Putzstrukturen gibt es ausschließlich als Mineralputz oder als organisch gebundenen Oberputz. Die mineralische Variante ist der o. g. dickschichtige Edelkratzputz, den es in der Form auf Dispersionsbasis nicht gibt. Den Buntsteinputz (Mosaikputz) gibt es dagegen nur als organisch gebundenen Oberputz.

Von den Eigenschaften unterscheiden sich diese vier Putzarten erheblich. Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über Vor- und Nachteile:

Früher wurden vor allem Mineralputze noch mit einem zusätzlichen Egalisationsanstrich versehen. Dieser hatte primär die Aufgabe, die hohe Wasseraufnahme der Putze sowie eine mögliche Fleckenbildung durch Calciumcarbonat Ausblühungen zu egalisieren. Mittlerweile ist es Stand der Technik, Mineralputze und Dispersions-Silikatputze mit einer Farbbeschichtung, bestehend aus einem zweimaligen Anstrich, zu versehen. Diese bestimmt in der Regel die Funktion und Eigenschaft der Oberfläche. Wenn der Schlussbeschichtung zusätzliche Eigenschaften wie z. B. eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen Algen Algen stellen keine systematische Bezeichnung dar und sind pflanzenartige Lebewesen, die aber nicht den Pflanzen zugeordnet werden können. Sie umfassen und Pilze Pilze sind chlorophyllfreie Organismen mit heterotropher Ernährungsweise (Ernährung durch Aufnahme organischer Nahrung), die sich durch Sporen verbreiten und vermehren. Alle verliehen werden oder dunkle Farbtöne ausgeführt werden sollen, ohne dass sich die Oberfläche erhitzt, kommt man an hochwertigen Fassadenfarben nicht vorbei. Gleiches gilt für funktionale Oberflächen, die weniger verschmutzen sollen.

Als Anstriche kommen Dispersions-Silikatfarben, Silikonharzfarben und Dispersionsfarben zum Einsatz. Während früher die Anstriche primär die Aufgabe hatten, die Fassade vor Niederschlägen und insbesondere Schlagregen zu schützen, ist der Schutz vor mikrobiellen Befall Unter Befall wird die Besiedlung durch Schadorganismen (Mikroorganismen, Insekten oder Holzschädlinge) und die nachfolgende Einwirkung der Organismen auf das Holz, immer mehr in den Fokus gerückt. Heute werden Fassadenfarben angeboten, denen Breitbandbiozide zugegeben werden, die über einen längeren Zeitraum an der Oberfläche freigesetzt werden, so dass das Wachstum von Algen und Pilzen unterbunden wird. Diese Depots sind mit der Zeit aufgebraucht, so dass auch Biozid Der Begriff Biozid ist aus dem griechischen Wort bios (= Leben) und dem lateinischen Wort caedere (= töten) abgeleitet und haltige Beschichtungen nach einigen Jahren schutzlos den Mikroorganismen Mikroorganismen stellen die Wurzel des „Stammbaums des Lebens“ auf der Erde dar. Sie produzieren etwa zwei Drittel der gesamten Biomasse ausgesetzt sind. Die Alternative sind Biozid freie Wärmedämm-Verbundsysteme. Bei diesen Systemen setzt man auf funktionale Oberflächen durch physikalische Effekte, mit denen die Wasseraufnahme und -abgabe gesteuert wird, und vor allem der Ausfall von Tauwasser Tauwasser fällt an bzw. aus, wenn die Temperatur der Oberfläche eines Bauteils unter den Taupunkt der umgebenden Luft absinkt, so auf der kritischen Nordostseite eines Gebäudes unterbunden werden soll. Einen ähnlichen Ansatz verfolgen Nanobeschichtungen Mit der Nanotechnologie eröffnen sich ungeahnte Möglichkeiten, Materialeigenschaften gezielt zu beeinflussen und zu nutzen. Ein Nanometer ist 0,000001 mm, damit wie z. B. mit dem Lotus-Effekt oder mit Photokatalyse Die Definition einer Photokatalyse ist unter Experten umstritten. Nach Plotnikow kann jede durch Licht ausgelöste chemische Reaktion als photokatalytisch bezeichnet .

In einigen Regionen, vor allem im Norden und Nordwesten, wird die Oberfläche eines WDVS der regionalen Bauweise mit einer Klinkeroptik angepasst. Hierbei handelt es sich um Klinkerriemchen oder um so genannte Flachverblender (Kunststoffbeschichtungen mit einer Klinkeroptik). Außerdem kommen, vor allem im gewerblichen Bereich (Bürogebäude, Hotels etc.), auch Natursteinplatten oder Glasoberflächen zum Einsatz.

Die Haltbarkeit eines WDVS wird mit 40 bis 60 Jahren angegeben, wenn man „kleinere“ Schönheitsreparaturen (z. B. durch Verschmutzung oder mikrobiellen Befall) oder feine Haarrisse ignoriert und diese Aussage auf die grundsätzliche Funktionalität wie z. B. Standsicherheit und Bauphysik Die Bauphysik ist eine Anwendung der Physik und ihrer Gesetzmäßigkeiten auf Bauwerke und Bauwerksteile. Hauptgebiete der Bauphysik sind Wärmeschutz (Wärmeübertragung (Feuchte-, Wärme Wärme (Wärmemenge) ist eine physikalische Größe. In der Thermodynamik ist Wärme eine über Systemgrenzen hinweg transportierte thermische Energie. Wärme ist - und Brandschutz) bezieht. Je nach Alter der Wärmedämm-Verbundsysteme werden drei Generationen unterschieden: die 1. Generation (vom Beginn Mitte der 1960er Jahre bis Ende der 1980er Jahre), in der noch viele Bauschäden Der Begriff des Bauschadens wird unterschiedlich definiert. So werden im 3. Bauschadensbericht der Bundesregierung darunter alle negativen Veränderungen der Bauteileigenschaften (vor allem Diffusionsprobleme) verursacht wurden, da die bauphysikalischen Zusammenhänge dieser neuen Bauweise noch weitgehend unbekannt waren. Dem folgte die 2. Generation Anfang der 1990er Jahre bis in die 2010er Jahre, mit denen bewährte Systeme weiter optimiert wurden und der Fokus auf einer Verbesserung der Wärmeleitfähigkeit der Dämmstoffe lag. Die 3. Generation beschreibt die Phase, in der Wärmedämm-Verbundsysteme stärker unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit gesehen und biozidfreie Alternativen oder auch recycelbare Systeme entwickelt wurden. Wärmedämm-Verbundsysteme der ersten und zweiten Generation stellen nun selbst einen Sanierungsmarkt dar und müssen je nach Zustand renoviert, saniert oder modernisiert werden.