Untersuchungen

Das Gutachten

Der Begriff „Gutachten“ ist keine geschützte Bezeichnung. Ein Gutachten ist die Verschriftlichung der Expertise eines Sachverständigen zu einem bestimmten Sachverhalt. Hierbei geht es zunächst um die Feststellung von Tatsachen sowie deren Bewertung in einem bestimmten Kontext. An den Aufbau oder Umfang eines Gutachtens gibt es keine gesetzlichen Anforderungen. Allerdings hat sich in der Praxis eine gewisse Struktur bewährt, die sich in erster Linie durch die Aufgabenstellung ergibt:

  • Deckblatt mit Pflichtangaben zum Absender (Name, Anschrift, Kontaktmöglichkeiten und Qualifikation des Sachverständigen)
  • Titel „Gutachten“ und Gegenstand des Gutachtens
  • Angaben zum Auftraggeber (und je nachdem zum Gericht, Aktenzeichen sowie den Verfahrensbeteiligten)
  • lfd. Nummer und Datum
  • Inhaltsverzeichnis
  • Auftragsbeschreibung (bei Gerichtsgutachten: wortwörtlicher Beweisbeschluss)
  • Beschreibung des Sachverhaltes
  • Beschreibung der Rahmenbedingungen, die zur Beurteilung herangezogen werden
  • Dokumentation, welche Informationen vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt wurden und welche auf eigene Erkenntnisse z. B. aufgrund der Vor-Ort-Besichtigung oder Feststellungen z. B. aufgrund von Messungen basieren
  • Dokumentation über mögliche Vor-Ort-Besichtigung in Anwesenheit Dritter sowie ggf. Protokollierung von Aussagen durch diese
  • Beschreibung der angewandten Untersuchungsmethoden oder -verfahren sowie Messstrategien (wenn im Rahmen des Gutachtens eigene Messungen durchgeführt wurden)
  • Dokumentation der Untersuchungsergebnisse
  • Dokumentation, ob Dritte an der Erstellung des Gutachtens beteiligt waren und in welchem Umfang oder welche Aussagen konkret von diesen eingeflossen sind
  • Beurteilung des durch den Auftrag vorgegebenen Sachverhaltes
  • Fazit und Zusammenfassung
  • Anhang mit Fotos, Skizzen, Grafiken, Tabellen, Diagrammen mit entsprechenden Bildunterschriften (soweit diese nicht sinnvollerweise an den relevanten Stellen im Gutachten bereits eingefügt wurden), ggf. Protokolle und Laborberichte sowie ggf. einem kleinen Glossar über verwendete Fachbegriffe
  • Quellennachweis über verwendete Literatur
  • Unterschrift und ggf. Stempel

Gutachten werden im Auftrag von Privatpersonen (z. B. Mieter oder Vermieter), Unternehmen (z. B. Versicherung oder Baufirma), Behörden (z. B. Gesundheitsamt) oder Gerichten (z. B. in einem Rechtsstreit) beauftragt. Dem entsprechend spricht man auch von einem Privatgutachten oder Gerichtsgutachten. Gutachten werden zu Sach- oder Rechtsfragen erstellt und daher auch als Sachgutachten oder Rechtsgutachten bezeichnet. Entweder geht es um eine gutachterliche Beurteilung von Rechtsfragen oder -folgen eines bestimmten Sachverhaltes oder um die Feststellung des anwendbaren Rechts hinsichtlich eines spezifischen Sachverhaltes. Das Gutachten ist von der gutachterlichen Stellungnahme abzugrenzen, auch wenn in der Praxis beide Begrifflichkeiten häufig synonym verwendet werden. Denn, an eine Stellungnahme (oft auch als „Kurzgutachten“ bezeichnet) werden weniger formale Anforderungen gestellt. Der Sachverständige darf sich auf einzelne Punkte konzentrieren und/oder auf die Ergebnisse eingehen, ohne Untersuchungen dokumentieren oder das Zustandekommen von Ergebnissen detailliert herleiten zu müssen. Gutachten mit einer subjektiven Bewertung oder basierend auf fragwürdigen Methoden werden als Gefälligkeitsgutachten bezeichnet. Diese beinhalten meist vorweggenommene Ergebnisse, die den Interessen oder Ansichten des Auftraggebers entgegenkommen. Im Rahmen eines Beweissicherungsverfahren werden Beweisgutachten erstellt. Diese sind immer dann notwendig, wenn Gefahr Die Beurteilung möglicher Gefahren beantwortet die Frage, ob ein Stoff für Mensch oder Umwelt gefährliche Eigenschaften aufweist. Die Klassifizierung gefährlicher droht, dass sich ein Zustand verändert und dieser gerichtsfest dokumentiert werden muss, um Ansprüche gegenüber Dritten nicht zu gefährden. Eine besondere Form ist das Schiedsgutachten, das von beiden Parteien beauftragt wird. Bei dem Schiedsgutachten verpflichten sich beide Parteien im Vorfeld, das Ergebnis zu akzeptieren und auch gerichtlich nicht anzufechten. Auf der Grundlage entscheidet der Sachverständige rechtsverbindlich über den Streitpunkt.

Die Grundsätze und Pflichten eines Sachverständigen gelten auch für die Erstellung eines Gutachtens. Ein Gutachten kann auf Grundlage der Aktenlage (z. B. Gerichtsprozess) oder durch eigene Feststellungen (z. B. durch Vor-Ort-Besichtigungen, Bauzustandsanalysen) erstellt werden. Dies ist abhängig von der Sachlage und vorliegenden Informationen, dem zu klärenden Sachverhalt sowie Art und Umfang der Beauftragung. Wenn für die Erstellung des Gutachtens eigene Untersuchungen und in diesem Rahmen eine Bauteilöffnung oder die Entnahme von Materialproben notwendig, müssen im Vorfeld einige rechtliche Aspekte geklärt werden. Wird ein Sachverhalt in der Gegenwart bewertet, der in der Vergangenheit seine Ursachen hat (z. B. Wärmebrückenproblematik bei einem Gebäude aus den 1970- oder 1980-iger Jahre), muss das Gutachten Angaben beinhalten, auf welchen Zeitpunkt sich die Beurteilung nach dem Stand der Technik bezieht. Beim Zitieren von Gesetzen oder Normen sind das Erscheinungsdatum und der Gültigkeitszeitraum anzugeben.

Gutachten müssen logisch aufgebaut, übersichtlich gegliedert und auf das Wesentliche reduziert sein, ohne das Verständnis für den Sachverhalt zu gefährden. Schachtelsätze sind zu vermeiden. Formulierungen müssen sprachlich eindeutig und fachlich schlüssig sein. Wenn sich Fachbegriffe nicht vermeiden lassen, sollten diese erklärt werden. „Fachchinesisch“ hat in einem Gutachten genauso wenig verloren wie fachliche Eitelkeit – Beides ist keine Tugend eines Sachverständigen, sondern eher ein Hindernis für alle Beteiligten. Fakten und Tatsachen sind von Schlussfolgerungen und Bewertungen klar zu trennen. Vermutungen und Annahmen haben in einem Gutachten nichts verloren. Ein Gutachten darf niemals eine nachträgliche Argumentation für ein vorweggenommenes Ergebnis liefern. Bei einem Gerichtsgutachten dürfen nur Fragen aus dem Beweisbeschluss beantwortet werden. Auch wenn der Sachverständige dies aus seiner Sicht für sinnvoll oder so gar notwendig erachtet, darf er niemals ohne Auftrag Sachverhalte aufdecken, die eine der beiden Parteien bevor- oder benachteiligt.

Aussagen aus anderen Gutachten z. B. aus vorgerichtlichen Privatgutachten sind kritisch zu hinterfragen, bevor diese übernommen werden und müssen dann deutlich gekennzeichnet werden. Bei der Auseinandersetzung mit anderen Gutachten hat der Sachverständige seine Neutralität zu wahren, auch wenn z. B. Feststellungen von anderen Sachverständigen z. B. in einem Privat- oder Parteigutachten die Grenzen der Neutralität bereits überschritten haben. Aussagen z. B. während des Vor-Ort-Termins können nur übernommen werden, wenn dies von der Gegenseite ausdrücklich zugestanden wird. Hiervon ausgenommen ist, wenn die Äußerungen dem fachlichen Standpunkt des Sachverständigen widersprechen. Feststellungen von Dritten in dem Gutachten dürfen nicht als eigene Feststellungen hingestellt und müssen kenntlich gemacht werden. Bei einem Gemeinschaftsgutachten muss zweifelsfrei erkennbar sein, wer das Gutachten oder Teile davon erstellt hat.

Der Sachverständige haftet für die Richtigkeit und Vollständigkeit seines Gutachtens. Dies bedeutet, dass sich im Gutachten keine falschen Tatsachen befinden dürfen und dass alle für die Beurteilung entscheidungswesentlichen Feststellungen enthalten sein müssen. Alle Textseiten im Gutachten müssen fortlaufend nummeriert und gebunden, geklebt oder geklammert werden. Ein Gutachten ist

  • vollständig, wenn alle vom Auftraggeber beauftragten Sachverhalte geklärt und alle gestellten Fragen beantwortet wurden.
  • schlüssig und nachvollziehbar, wenn der Auftraggeber und/oder alle Beteiligten die Ausführungen verstanden haben und die Gedankengänge des Sachverständigen soweit nachvollziehen können, dass der Befund und die Schlussfolgerungen daraus überprüft und beurteilt werden können.
  • erfüllt, wenn das Gutachten dem Auftraggeber zugestellt und von diesem als mangelfrei abgenommen wurde.

Rechtliche Würdigungen sind bei einem Gerichtsgutachten zu unterlassen. Bei einem Privatgutachten sind diese zwar als Nebenleistung nicht unzulässig, haben aber in einem Gutachten dennoch nichts zu suchen und sind den Juristen zu überlassen.

Während es bei einer gerichtlichen Beauftragung zur Erstellung eines Gutachtens keine Verträge gibt, kommt zwischen dem privaten oder gewerblichen Auftraggeber und dem Sachverständigen je nach Art, Inhalt und Umfang der Beauftragung ein Werkvertrag Ein Werkvertrag regelt den gegenseitigen Austausch von Leistungen, bei dem sich ein Teil (Unternehmer) verpflichtet, ein Werk gegen Zahlung einer oder Dienstvertrag zustande. Der Unterschied liegt im Vertragsgegenstand. In einem Dienstvertrag verpflichtet sich der Sachverständige zur Leistung von bestimmten Diensten, in dem Fall zur Erstellung eines Gutachtens. Der Dienstvertrag ist gesetzlich in den §§ 611 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) geregelt. Wesentlicher Unterschied zum Werkvertrag ist, dass der Sachverständige als Auftragnehmer nur zu einer Leistung verpflichtet ist und dem Auftraggeber keinen Erfolg schuldet – beide Parteien vereinbaren nur die Erbringung einer Leistung. In einem Werkvertrag verpflichtet sich der Sachverständige zur Herstellung eines individuellen Werkes, ebenfalls zur Erstellung eines Gutachtens. Wesentlicher Unterschied zum Dienstvertrag ist allerdings, dass der Sachverständige als Auftragnehmer in einem Werkvertrag dem Auftraggeber nicht nur eine bestimmte Tätigkeit, sondern ein bestimmtes Arbeitsergebnis, schuldet – also die Herbeiführung eines bestimmten Erfolges. Der Werkvertrag ist in den §§ 631 ff. BGB geregelt. Da sich beide Vertragsarten gravierend unterscheiden, sollte der Sachverständige Art, Leistung und Umfang des Gutachtens vertraglich regeln – erst Recht, wenn es sich bei dem privaten Auftraggeber um einen Verbraucher handelt. Des Weiteren empfiehlt sich, einen Individualvertrag und keinen Formularvertrag zu vereinbaren und die Grenzen zwischen Gutachten und Beratung festzulegen. Weitere Ausführungen zum Sachverständigenvertrag würden den Rahmen an dieser Stelle sprengen.

Gutachten unterliegen dem Urheberrecht und gehören demnach lt. § 2 Urheberrechtsgesetz (UrhG) zu den geschützten Werken. Dies bedeutet, dass die Urheberrechte, auch dann, wenn der Sachverständige sein Gutachten an den Auftraggeber übergeben und dieser den Sachverständigen für die Erstellung des Gutachtens vergütet hat, beim Sachverständigen als Urheber verbleiben. Denn Urheberrechte können nicht veräußert werden. Der Auftraggeber erwirbt mit der Bezahlung des Gutachtens nur die Nutzungsrechte und darf dem entsprechend das Gutachten nur in dem Rahmen verwerten, wie dies zwischen den Parteien vereinbart wurde. Fehlt diese Vereinbarung, darf der Auftraggeber das Gutachten nur in dem Rahmen verwenden, für den er dieses auch in Auftrag gegeben hat. Kopien darf der Auftraggeber von dem Gutachten nur für eigene Zwecke anfertigen. Das Gutachten darf von dem Auftraggeber ohne Zustimmung des Sachverständigen als Urheber auch nicht veröffentlicht und/oder gekürzt oder auch nur auszugsweise an Dritte weitergegeben werden. Grundvoraussetzung für einen Urheberrechtsschutz ist allerdings, dass die Ausführungen in dem Gutachten überhaupt urheberrechtsfähig sind. Dies bedeutet, dass die erforderliche Schöpfungshöhe erreicht werden muss und vor allem, dass der Sachverständige überhaupt die Rechte an den Texten hat. Denn nicht selten werden in Gutachten Normen und Regelwerke zitiert oder Passagen aus Fachbüchern übernommen. Für derartige Teile in einem Gutachten kann der Sachverständige kein Urheberrecht anmelden.