Untersuchungen

Grundsätze und Pflichten

Sachverständige sollen ihre Leistung persönlich, gewissenhaft, unabhängig, weisungsfrei und unparteiisch erbringen und sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Dieser Grundsatz gilt in erster Linie für öffentlich bestellt und vereidigte Sachverständige. Dennoch sollten sich auch andere Sachverständige an diese berufsethischen Grundsätze der Sachverständigenordnung halten.

Der wesentliche Unterschied zwischen öffentlich bestellt und vereidigten sowie anderen Sachverständigen besteht in der Pflicht zur Erstellung eines Gutachten. In den gerichtlichen Verfahrensordnungen ist diese Pflicht im § 407 ZPO ausdrücklich geregelt. Bei Vorliegen von wichtigen Hinderungsgründen wie z. B. Krankheit oder fehlende Ressourcen sowie der Befangenheit zu einer der Parteien kann der Sachverständige einen Antrag stellen, ihn von dem Auftrag zu entbinden. Dies unterscheidet den öffentlich bestellt und vereidigten Sachverständigen von seinen Berufskollegen.

Die Sachverständigenordnung regelt darüber hinaus einen umfangreichen Pflichtenkatalog. Der Sachverständige sollte vor einer Beauftragung überprüfen, ob der ihm angetragene Sachverhalt in sein Tätigkeitsgebiet fällt, er zur fachlichen Bewertung die nötige Expertise und Erfahrung sowie Ausstattung aufweist und ob er ohne Hinzuziehung weiterer Experten eine Stellungnahme oder ein Gutachten erstellen kann.

Der Sachverständige hat die beauftragte Leistung vor allem die Erstellung einer Stellungnahme oder eines Gutachtens selbst, also persönlich, zu erbringen. Im Gegensatz zu den öffentlich bestellt und vereidigten Sachverständigen, dürfen andere Sachverständige den Auftrag an andere Sachverständige übertragen, wenn dies mit dem Auftraggeber im Vorfeld abgestimmt wurde und dem zugestimmt wurde. Soweit andere Sachverständige an der beauftragten Leistung mitwirken, müssen diese mit Namen und Umfang ihrer Tätigkeit angegeben werden, so lange sich die Mitwirkung durch Dritte auf Hilfsdienste von untergeordneter Bedeutung beziehen. Diese müssen auf demselben Sachgebiet tätig und den fachlichen Weisungen des Sachverständigen unterworfen sein. Die persönliche Leistung und Eigenverantwortlichkeit des beauftragten Sachverständigen darf durch diese Unterbeauftragung nicht beeinflusst werden. Erstellen mehrere Sachverständige „gleichen Ranges“ ein Gemeinschaftsgutachten muss eindeutig zu erkennen sein, welcher Sachverständige für welche Teile, Feststellungen oder Bewertungen und Schlussfolgerungen verantwortlich ist.

Eingesetzte Messgeräte müssen geeicht bzw. kalibriert und Untersuchungsmethoden den allgemein anerkannten Regeln der Technik oder mindestens dem Stand der Technik entsprechen. Soweit diese davon abweichen, muss begründet werden, weshalb ihre Anwendung alternativlos ist und wie die Messergebnisse in diesem Kontext zu bewerten sind.

Der Sachverständige hat seine Leistung nach bestem Wissen und Gewissen zu erbringen. Hierfür hält er sich auf dem neuesten Stand und kennt den Unterschied zwischen den allgemein anerkannten Regeln der Technik, den Stand der Technik, den Stand der Forschung und Wissenschaft und seine besondere Hinweispflicht bei alternativen Methoden, die in der Praxis angewendet werden, aber nicht anerkannt sind.

Die Grundlagen für das Gutachten sind sorgfältig zu ermitteln und die erforderlichen Besichtigungen sowie Untersuchungen persönlich vorzunehmen. Die Gutachten sind systematisch aufzubauen, übersichtlich zu gliedern und nachvollziehbar zu begründen. Kann der beauftragte Sachverhalt über verschiedene Ansätze erklärt werden bzw. kommen für die gestellten Fragen mehrere Lösungen und Antworten in Betracht, so hat der Sachverständige diese darzulegen und zu begründen und eine Bewertung vorzunehmen. Bei der Bewertung geht es nicht um sein subjektives Empfinden, sondern um eine objektive Einschätzung der Vor- und Nachteile sowie der Risiken und deren Wahrscheinlichkeit.

Für eine objektive und unabhängige Leistung sowie Erstellung seines Gutachten darf der Sachverständige keiner Weisung Dritter unterliegen, die dazu führen kann, dass seine tatsächlichen Feststellungen, Bewertungen oder Schlussfolgerungen von außen beeinflusst werden. Somit wäre die erforderliche Objektivität und Glaubwürdigkeit seiner Aussagen nicht mehr sichergestellt. Insbesondere gilt für den Sachverständigen, dass seine Leistung und insbesondere sein Gutachten ohne Rücksicht auf das Auftragsvolumen und/oder auf die geschäftlichen Beziehungen zu einem Auftraggeber erbracht werden (wirtschaftliche Unabhängigkeit). Auch auf evtl. Änderungswünsche des Auftraggebers darf sich der Sachverständige nicht einlassen (persönliche Unabhängigkeit). Dies gilt auch, wenn der Sachverständige seine Leistungen im Angestelltenverhältnis erbringt.

Bei seinen Leistungen und insbesondere in Vorbereitung auf das Gutachten hat der Sachverständige strikte Neutralität zu wahren, um sich nicht dem Vorwurf der Befangenheit auszusetzen. Gründe, die ein Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit rechtfertigen, muss der Sachverständige seinem Auftraggeber unverzüglich mitteilen, auch wenn er selbst diese als unbegründet zurückweist. Denn zur Ablehnung eines Sachverständigen genügt bereits ein erster Anschein der Parteilichkeit. Dem entsprechend darf der Sachverständige einer der Parteien weder freundschaftlich verbunden noch in feindlicher Haltung gegenüberstehen.

Unter bestimmten Voraussetzungen wird versucht, die Befangenheit eines Sachverständigen mit dessen Inkompetenz und mangelhafter Sachkunde sowie Unzulänglichkeiten oder Fehler in seinen Gutachten zu begründen. Dem haben mehrere Landgerichte und Oberlandesgerichte bereits widersprochen. Für die Besorgnis der Befangenheit kommt es nur auf die Frage der Unparteilichkeit des Sachverständigen an. Ein Mangel an Sachkunde oder die Unfähigkeit und dgl. für sich allein rechtfertigt keine Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit, denn derartige Mängel, so ärgerlich dies für eine der beiden Parteien ist, betrifft grundsätzlich nicht die Unabhängigkeit des Sachverständigen. Wenn z. B. in einem Gerichtsprozess ein Gutachten für ungenügend erachtet wird, kann ein neues Gutachten ggf. durch einen anderen Sachverständigen beantragt werden.

Ähnlich verhält es sich mit der Streitverkündung gegenüber einem Sachverständigen. Grundsätzlich kann jede Partei, die annimmt, dass sie für den Fall eines für sie ungünstigen Ausgang eines Rechtsstreits einen Anspruch auf Schadensersatz gegen einen Dritten erheben kann, bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts einem Dritten nach § 72 Abs. 1 ZPO gerichtlich den Streit verkünden. Dies war bis 2006 eine durchaus beliebte Praxis, um aus prozesstaktischen Gründen auf den Sachverständigen Einfluss zu nehmen. Neben dem Druck, dem der Sachverständige ausgesetzt war, musste er zudem entscheiden, ob er dem Prozess nach § 74 Abs. 1 ZPO beitreten sollte, um einem evtl. folgenden Regressprozess entgegenzuwirken. Gleichzeitig würde der Sachverständige damit seine Pflicht zur Neutralität verletzen und somit den Vorwand für einen Befangenheitsantrag selbst liefern. Diesem Treiben setzte der BGH bereits 2006 ein Ende (vgl. BGH-Urteil vom 27.07.2006, VII ZB 16/06), um die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Sachverständigen sicherzustellen. Der BGH entschied, dass die Streitverkündung gegenüber einem gerichtlichen Sachverständigen zur Vorbereitung von Haftungsansprüchen gegen diesen aus angeblich fehlerhafter, im selben Rechtsstreit erbrachter Gutachterleistungen unzulässig ist.

Der Sachverständige unterliegt einer Schweigepflicht. Kenntnisse, die er in Ausübung seiner Tätigkeit erlangt, darf er weder Dritten unbefugt mitteilen, noch zum Schaden anderer oder zu seinem oder zum Nutzen anderer unbefugt verwerten. Die Betonung liegt auf „unbefugt“. Denn, wenn der Sachverständige z. B. in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung seine Leistung vorträgt, lässt sich dies nicht verhindern. Gleiches gilt z. B. für den Sachverständigen vor Gericht, der nur zu Sachverhalten ausführen darf, zu denen er beauftragt wurde. Ungefragt darf er keine Sachverhalte vortragen, die eine der Parteien bevorteilt oder benachteiligt.

Der Sachverständige haftet für seine Leistung und insbesondere für die Feststellungen, Bewertungen und Schlussfolgerungen sowie Empfehlungen in seinem Gutachten, soweit daraus Schäden entstehen, die auf vorsätzliche oder grob fahrlässige Fehler in seinem Gutachten zurückzuführen sind (siehe § 839a BGB, eingeführt durch das zweite Gesetz zur Änderung schadenersatzrechtlicher Vorschriften vom 19.07.2002; BGBl. Teil I S. 2674). Der Sachverständige darf deshalb seine Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit weder ausschließen noch der Höhe nach beschränken. Gleichzeitig ergibt sich daraus die Pflicht, dass der Sachverständige eine Haftpflichtversicherung in angemessener Höhe abschließen muss.

Schlussendlich hat der Sachverständige die Wirtschaftlichkeit seiner Leistung aus Sicht seines Auftraggebers im Auge zu behalten. Sobald sich Hinweise ergeben, die darauf schließen lassen, dass Inhalt und Umfang seiner Beauftragung nicht im Verhältnis zum Wert des Streitgegenstandes (z. B. vor Gericht) oder der ursprünglich veranschlagten Kosten stehen, muss er seinen Auftraggeber unverzüglich darauf hinweisen.