Untersuchungen

Die Probenahme und Bauteilöffnung

Im Rahmen der Bauwerks- und Innenraumdiagnostik ist es häufig notwendig, vor Ort entsprechende Materialproben für weitergehende Untersuchungen im Labor zu entnehmen. Eine in der Praxis übliche wie selbstverständliche Vorgehensweise ist unter rechtlichen Gesichtspunkten nicht ganz unproblematisch. Denn eine Probeentnahme ist je nach Art und Umfang der Probe im technischen Sinne eine Bauteilöffnung und somit im rechtlichen Sinne eine Beschädigung fremden Eigentums. Typische Probeentnahmen im Rahmen der Schimmelpilzsanierung Das Ziel einer Schimmelpilzsanierung ist die Herstellung eines „hygienischen Normalzustandes“. Vor der eigentlichen Sanierung sind die Ursachen für einen Schimmelpilzbefall sind z. B. Materialproben zur Bestimmung der Schimmelpilzarten. Typische Bauteilöffnungen können z. B. im Rahmen der Untersuchung von sporadischen Wasserschäden in Fußbodenaufbauten auftreten oder bei der Überprüfung von Undichtigkeiten z. B. von Dampfbremsen im Trockenbau von Dachgeschossen usw.

Die gesetzlichen Grundlagen für Bauteilöffnungen ergeben sich aus der Beweiserhebung durch Sachverständige, die im § 402 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt sind. So wird im § 404a Abs. 1 ausgeführt: „Das Gericht hat die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten und kann ihm für Art und Umfang seiner Tätigkeit Weisungen erteilen.“ Im Absatz 4 des gleichen Paragrafen heißt es weiter: „Soweit es erforderlich ist, bestimmt das Gericht, in welchem Umfang der Sachverständige zur Aufklärung der Beweisfrage befugt ist …“. Dies lässt zunächst vermuten, dass der Sachverständige auch zur Bauteilöffnung legitimiert ist. Lange Zeit war unklar, ob auch eine Anweisung des Gerichts an den Sachverständigen zur Freilegung oder Öffnung von Bauteilen und/oder Konstruktionen unter die Auslegung des § 404 fällt und somit zulässig ist.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich hierzu im Jahr 2020 (Aktenzeichen IV ZR 88/19) geäußert und betont, dass ein Gericht nach § 404a Absatz 1 und 4 ZPO zwar verpflichtet ist, dem Sachverständigen die für Art und Umfang seiner Tätigkeit notwendigen Weisungen zu erteilen, allerdings auch einen gewissen Ermessensspielraum eingeräumt und keine verpflichtende Weisung an den von ihm bestellten Sachverständigen zu einer Bauteilöffnung sieht. Das Gericht hat bei der Erteilung einer Anweisung an den Sachverständigen die Interessen der beweispflichtigen Partei mit den an den Sachverständigen gestellten Anforderungen sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Der BGH lässt somit die strittige Frage, ob ein Gericht Sachverständige zu Bauteilöffnungen anweisen darf, unbeantwortet. Für die Prozessbeteiligten, sowohl für die Parteien wie auch Sachverständige, bedeutet dies einen entsprechenden Aufwand (Prüfung und Begründung). Es wird daher zunehmend darauf ankommen, ob vor der Beweislastentscheidung alle anderen zur Verfügung stehenden Beweismöglichkeiten ausgeschöpft wurden (BGH, Urteil vom 7.2.2019 – VII ZR 274/17). Dies bedeutet weiterhin, dass sich Kläger nicht automatisch darauf verlassen können, dass ein Gericht durch eine Anweisung an den Sachverständigen sicherstellt, dass der Kläger seiner Beweislast nachkommen kann.

Infolgedessen sollte auch weiterhin die Einwilligung des Eigentümers zur Bauteilöffnung vorliegen. Wenn der Sachverständige eine Bauteilöffnung ohne wirksame Einwilligung vornimmt oder veranlasst und dadurch die Bausubstanz verletzt, kann sich daraus eine Haftung des Sachverständigen gem. § 823 Abs. 1 BGB ergeben. Die Einwilligung wird hierbei nicht durch die Fragestellung eines möglichen Beweisbeschlusses ersetzt, auch dann nicht, wenn die Bauteilöffnung zur Beantwortung der Beweisfrage unbedingt erforderlich ist. Das Gericht darf den Sachverständigen nicht einmal ermächtigen, die Wohn- und Geschäftsräume einer Partei ohne deren Einverständnis zu betreten. Voraussetzung für die Wirksamkeit der Einwilligung in die Bauteilöffnung und damit einer möglichen Beschädigung ist die Aufklärung des Eigentümers über die damit verbundenen Nachteile und Risiken. Wenn sich das vom Eigentümer aufgrund der unzutreffenden oder unterlassenen Hinweispflicht falsch eingeschätzte Risiko verwirklicht, kann dies zur Haftung des Sachverständigen führen. Er muss in einem möglichen Haftungsprozess beweisen, dass der Eigentümer auch dann in die Bauteilöffnung eingewilligt hätte, wenn er über das Risiko sachgerecht und umfassend aufgeklärt worden wäre. Der Sachverständige muss also seinen Aufklärungs- und Hinweispflichten nachkommen und das Gericht und/oder die beteiligten Parteien auf mögliche Schadensrisiken hinweisen. Hat der Sachverständige dagegen Bedenken gegen die Bauteilöffnung selbst oder gegen die Art der Bauteilöffnung, weil er z. B. befürchtet, dass diese zu irreparablen Schäden am Bauwerk führen, muss er ebenfalls das Gericht und/oder die beteiligten Parteien über seine Bedenken informieren.

Außerdem kann sich aus einer Bauteilöffnung eine deliktische Haftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB ergeben, wenn der Sachverständige z. B. eine fehlerhafte Anordnung trifft, wo, wie und durch wen diese Bauteilöffnung ausgeführt werden soll. Der Sachverständige muss deshalb zunächst einmal klären, ob, wo und wie eine Bauteilöffnung zur Beantwortung der offenen und/oder Beweisfrage vorgenommen werden soll oder ob hierfür ggf. auch eine zerstörungsfreie Messung ausreicht. Hierbei muss der Sachverständige die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit prüfen – also Art und Weise der Bauteilöffnung klären und Öffnungsstellen wählen, die den geringsten Schaden verursachen, mit dem geringsten Risiko verbunden sind und am besten wieder verschlossen werden können. In der Praxis kann man viel zu häufig beobachten, dass gegen diesen Grundsatz verstoßen wird und der Sachverständige vorrangig sein Aufgabengebiet und die Beantwortung der offenen Fragen sieht.

Diese beziehen sich im Übrigen nicht nur auf die Bauteilöffnung selbst, sondern auch auf die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes. Ohne Weisung des Gerichts hat der Sachverständige die von ihm vorgenommene Bauteilöffnung nur zu sichern. Wenn nicht geregelt ist, wer hierfür zuständig ist, muss der Sachverständige vor der Einwilligung zu einer Bauteilöffnung darauf hinweisen. Wird daraufhin die Einwilligung verweigert, darf die Bauteilöffnung nicht vorgenommen werden. Das Gericht muss dann entscheiden, ob diese Ablehnung unter Umständen eine Beweisvereitelung darstellt. Dies hängt u. a. davon ab, ob es dem Eigentümer zugemutet werden kann, eine Bauteilöffnung über einen längeren Zeitraum hinzunehmen. Schließlich können sich Rechtsstreitigkeiten u. U. über Jahre hinziehen. In der Regel ist es dem Eigentümer nicht zumutbar, eine Wohnung mit einer oder mehreren Bauteilöffnungen zu bewohnen, insbesondere wenn sich diese im Wohn- und Sichtbereich befinden. Die Anwendung einer Beweislastregel stellt eine ultima ratio dar, die erst dann relevant wird, wenn das Gericht alle zulässigen Beweismöglichkeiten ohne Erfolg ausgeschöpft hat und weitere Feststellungen nicht mehr möglich erscheinen. Dies gilt auch, wenn die Beweisaufnahme durch eine Begutachtung durch den Sachverständigen unterbleibt, weil der Auftraggeber sich weigert, Bauteilöffnungen zuzulassen. Gerichte sind dann angewiesen, durch den Sachverständigen die beweisbedürftigen Fragen soweit klären zu lassen, wie dies ohne eine Bauteilöffnung möglich ist.

Wenn die Festlegung und Ausführung der Bauteilöffnung nicht in das Fachgebiet des Sachverständigen fällt, muss er gem. § 407a Abs. 1 der Zivilprozessordnung vorschlagen, einen weiteren Sachverständigen hinzuzuziehen. Sobald das Gericht entschieden hat, dass der Sachverständige entsprechend seinen Vorschlägen vorgehen soll und dies von den Parteien akzeptiert wird, beschränkt sich die Haftung des Sachverständigen gem. § 839a Abs. 1 BGB auf fehlerhafte Weisungen. Je nach Art und Umfang von Bauteilöffnungen kann es im Einzelfall sogar sinnvoll sein, ein so genanntes Bauteilöffnungsgutachten zu erstellen. In diesem werden z. B. die Erforderlichkeit einer oder jeder einzelnen Bauteilöffnung begründet, Art und Stellen der Bauteilöffnung festgelegt, die den geringsten Schaden verursachen, mit der Bauteilöffnung verbundene Risiken bewertet sowie die Möglichkeit und die Kosten der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands beschrieben.

Das größere Problem besteht bei den vielen Probeentnahmen und Bauteilöffnungen, wenn der private Sachverständige bei dem Vor-Ort-Termin selbst entscheidet und eine Materialprobe Siehe Untersuchungsmethoden entnimmt oder eine Bauteilöffnung durchführt oder eines von Beiden durch einen Handwerker ausführen lässt und ihm Anweisungen gibt. Dies kann auch bei einer leicht fahrlässigen Pflichtverletzung schnell ein Haftungsrisiko darstellen. Dies begründet sich nicht in der rechtsgeschäftlichen Beauftragung des Handwerkers, sondern in den entscheidenden Anweisungen (deliktisches Haftungsrisiko gem. § 823 BGB). Der Versicherungsschutz des Sachverständigen kann durch dieses risikofreudige Vorgehen u. U. entfallen.

Ein ähnlich umstrittenes Thema in diesem Zusammenhang ist, wenn ein Sachverständiger im Rahmen seiner Vor-Ort-Besichtigung sowie anschließender Untersuchungen evtl. Schäden und/oder Mängel feststellt, die zum Zeitpunkt seiner Beauftragung nicht Gegenstand sind. Dass, was auf den ersten Blick als sinnvoll erscheint, da man schließlich genau deshalb einen Sachverständigen beauftragt, sehen einige Gerichte anders. Einige Richter sind der Auffassung, dass sich ein Sachverständiger dem Vorwurf der Befangenheit aussetzt, wenn neue Sachverhalte in den Prozess eingebracht werden, über die bisher die Parteien nicht gestritten haben. Hier entsteht ein Konflikt aus prozessrechtlicher und technischer Perspektive. Ein Sachverständiger ist dazu angehalten, einen Sachverhalt ganzheitlich zu bewerten – auch dann, wenn dieser aus den bisherigen Beweisbeschlüssen nicht hervorgeht. Einig sind sich Juristen und Sachverständige, dass diese Hinweispflicht von der Höhe ihrer Auswirkungen abhängig ist. Beobachtet der Sachverständige z. B. einen Befall Unter Befall wird die Besiedlung durch Schadorganismen (Mikroorganismen, Insekten oder Holzschädlinge) und die nachfolgende Einwirkung der Organismen auf das Holz, durch den Echten Hausschwamm Als Hausschwamm wird allgemein der so genannte Serpula lacrymans bezeichnet, ein Basidiomycetes der Ordnung Poriales. Er ist ein weitverbreiteter und , der in den meisten Bundesländern nicht nur meldepflichtig ist, sondern auch die Statik des Gebäudes gefährden kann, muss er diesen Hinweis gaben. Stellt der Sachverständige dagegen nur kleinere Schäden fest, die für den Rechtsstreit unerheblich und/oder so offensichtlich sind, dass diese von den Parteien problemlos hätten festgestellt werden können, braucht der Sachverständige darauf nicht einzugehen. Der Sachverständige kann dann davon ausgehen, dass dieser Mangel nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist. Dem Vorwurf der Befangenheit muss sich der Sachverständige nur dann aussetzen, wenn mit seinem Hinweis der Eindruck erweckt wird, einer der Parteien einen Vorteil verschaffen zu wollen.

Hinzu kommt, dass sich die Folgen eines Bauschadens ausdehnen können. So können zwischen dem ersten Auftreten eines Schadens, dem Scheitern einer gütlichen Einigung, der Klageerhebung bis hin zum ersten Verhandlungstermin mit Beauftragung eines Sachverständigen mehrere Monate bis Jahre vergehen. Infolgedessen können sich die vorgefundenen Bauschäden Der Begriff des Bauschadens wird unterschiedlich definiert. So werden im 3. Bauschadensbericht der Bundesregierung darunter alle negativen Veränderungen der Bauteileigenschaften u. U. in einem anderen Bild, Umfang oder Zustand befinden, wie der ursprüngliche Bauschaden.