Der Markt in Zahlen

„Jede 5. Wohnung schimmelt“. Mit dieser oder ähnlichen Schlagzeilen wird im Internet oder in vielen Publikationen der Eindruck erweckt, dass 20% der Wohnungen in Deutschland ein Schimmelpilzproblem haben. In einigen Veröffentlichungen ist so gar von bis zu 40% die Rede. Den Nachweis dieser Aussagen bleiben die Quellen schuldig. Fakt ist, dass es keine offiziellen Zahlen über den Schimmelpilzbefall in deutschen Wohnungen gibt, weder vom statistischen Bundesamt noch einer der Fachbehörden wie z. B. dem Umweltbundesamt Zu den Aufgaben des Umweltbundesamtes (UBA) gehören u. a. die wissenschaftliche Unterstützung und Beratung des BMU und der Bundesregierung in oder Gesundheitsbehörden. Es gibt nur zwei mehr oder weniger verlässliche Quellen, die von einem mikrobiellen Befall Unter Befall wird die Besiedlung durch Schadorganismen (Mikroorganismen, Insekten oder Holzschädlinge) und die nachfolgende Einwirkung der Organismen auf das Holz, von knapp unter 10% ausgehen. Eine der beiden Quellen ist die einzige Untersuchung1, die jemals zu diesem Thema in Deutschland durchgeführt wurde. Diese differenziert den Schimmelpilzbefall in privat genutzten Innenräumen. Der einzige Nachteil ist, dass diese Studie bereits im Jahr 2000 durchgeführt wurde und somit knapp 25 Jahre alt ist. Außerdem weist sie einige Unschärfen in der Datenerhebung auf. Brasche und Bischof wiederholten im Jahr 2005 die Untersuchungen, konkret auf den Wohnungsbestand im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Hierbei zeigte sich, dass in 8% der untersuchten Wohnungen Schimmelpilzschäden unterschiedlicher Art festgestellt wurden. Beide Ergebnisse fielen etwas höher aus als beim Bundes-Gesundheitssurvey aus dem Jahr 1998. Hier gaben knapp 6% der Befragten an, eine „schimmlige Wand“ zu haben.2

Als zweiten Indikator könnte man das Suchverhalten der Deutschen in einschlägigen Suchmaschinen wie Google heranziehen. Seit Jahren gibt es bei Begriffen wie Schimmel Umgangssprachlicher Begriff für Schimmelpilze. und Schimmelpilze Pilze sind weit verbreitete Organismen auf der Erde und besiedeln unterschiedlichste Substrate, auf oder in denen sie auf Grund ihrer in Kombination mit relevanten Suchbegriffen wie „Ursachen“, „Beseitigen“, „ Gesundheit Umgangssprachlich ist es üblich, Gesundheit mit dem Gegenteil oder der Abwesenheit von Krankheit zu beschreiben. Auch wenn die individuelle Gesundheit “, „ Gefahr Die Beurteilung möglicher Gefahren beantwortet die Frage, ob ein Stoff für Mensch oder Umwelt gefährliche Eigenschaften aufweist. Die Klassifizierung gefährlicher “, „ Mietminderung Gemäß § 535 BGB ist der Vermieter verpflichtet, die Mietsache in einem ordnungsgemäßen und fehlerfreien Zustand zu halten. Bei Abweichung “ und dgl. ein stabiles Suchverhalten bei Google von 4 Mio. pro Jahr. Dies sind keine repräsentativen Marktzahlen, unterstreichen aber den Bedarf an Informationen und decken sich mit den Untersuchungen von Brasche. Lt. statistischem Bundesamt hat Deutschland etwas mehr als 43,4 Millionen Wohnungen. Setzt man diese ins Verhältnis mit den Untersuchungsergebnissen von 9,3%, ergeben sich daraus ca. 4 Millionen Wohnungen, die von Schimmelpilzbefall betroffen sind. Es ist sicherlich kein Zufall, dass die Suchanfragen bei Google in der gleichen Größenordnung stattfinden – und dies seit Jahren konstant.

Wenn man also annimmt, dass ca. 4 Mio. Wohnungen in Deutschland von Schimmelpilzbefall betroffen sind, kann man im zweiten Schritt versuchen, die mikrobiell befallenen Flächen zu quantifizieren. Hierbei ist man auf die Befragung von Beteiligten angewiesen, die Angaben zur Größe eines Schimmelpilzbefalls machen können. Das Problem ist, dass die in der Vergangenheit durchgeführten Befragungen der Wohnungswirtschaft, Hausverwaltungen, Bausparkassen, Gutachter und Sachverständige, Handwerker wie Maler, Trocknungs- oder Sanierungsfirmen, Versicherungswirtschaft, Gesundheitsämter, Verbraucherzentralen oder Verbänden nicht repräsentativ sind. Häufig spielen individuelle Interessen eine Rolle, die das Ergebnis von Befragungen manipulieren. Wohnungs- und Immobilienanbieter werden das Problem naturgemäß herunterspielen, während Nutznießer dieses Marktes eher das Potenzial sehen und das Thema größer darstellen als es ist. Einig sind sich die Experten nur in einem Punkt: die Dunkelziffer der befallenen Wohnungen ist größer als allgemein angenommen. Zum einen, da bisherige Untersuchungen und Befragungen immer nur den sichtbaren Befall erfassen und nicht sichtbarer Befall oder versteckter Befall oft ignoriert werden. Zum anderen wird das Schamgefühl der Betroffenen unterschätzt: Schimmelpilze in den eigenen vier Wänden wird von vielen Menschen immer noch als unangenehm empfunden und mit fehlender Hygiene Das Wort Hygiene stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „eine der Gesundheit zuträgliche Kunst“. Es ist von gleichgesetzt, auch wenn dies in vielen Fällen nicht zutrifft.

In diesem Zusammenhang müssen auch sozioökonomische Einflüsse genannt werden: Schimmelpilzbefall im Kontext zu (Alters)Armut, Arbeitslosigkeit und Migration. Dies war lange ein Tabuthema. Die Aussagen unterschiedlicher Publikationen decken sich allerdings mit den Erkenntnissen aus verschiedenen Beratungsangeboten von Sozial- und/oder Gesundheitsämtern. Nach nicht überprüfbaren Aussagen verschiedener Behörden 3machen unterschiedliche Fragestellungen rund um Innenraumbelastungen etwa 30 bis 40% aller Anfragen aus. Der Anteil von Feuchte- und/oder Schimmelpilzschäden sowie unspezifischen Geruchsbelästigungen nimmt innerhalb dieser Problematik 70 bis 80% ein. In fast 50% der Anfragen kam es anschließend zu Vor-Ort-Besichtigungen.

Wenig überraschend ist die jahreszeitliche Verteilung der Anfragen. Diese deckt sich mit den Suchanfragen in einschlägigen Suchmaschinen (Quelle: eigene Erhebungen).

Zurück zu dem Versuch, den mikrobiellen Befall in den 4 Mio. Wohnungen in Deutschland zu quantifizieren. Nach Auswertung mehrerer Publikationen kann man davon ausgehen, dass in ca. 40% der untersuchten Fälle das Schlafzimmer einen Schimmelpilzbefall aufweist. Typische Stellen für mikrobiellen Befall im Schlafzimmer sind Wärmebrücken, entweder die Dichtung am Fenster, Innenecken von nicht wärmegedämmten Außenwänden, Heizkörpernischen bei gedrosselten Heizkörpern, die Rückseite von großen Kleiderschränken oder die Stirnseite von Betten an der Innenseite nicht wärmegedämmter Außenwände. Auf Platz 2 in diesem Ranking liegt mit jeweils 20 bis 25% das Bad und Kinderzimmer. In Wohn- und Arbeitszimmer sowie Küchen lag der Anteil bei unter 10%; die anderen Räume können vernachlässigt werden.

Des Weiteren muss Mikrobieller Befall Als Mikroorganismen werden eine Reihe sehr unterschiedlicher Organismen bezeichnet, deren charakteristische Eigenschaft ihre geringe Größe ist. Sie werden ausgehend von differenziert werden. Experten unterscheiden den sichtbaren Befall in Kleinstflächen (< 20 cm² Ausmaß) der Kategorie 1 („Normalzustand bzw. geringfügiger Schimmelpilzbefall“), in kleine Flächen (< 0,5 m² Ausmaß) der Kategorie 2 („geringer bis mittlerer Schimmelpilzbefall“) sowie in größere Flächen (> 0,5 m² Ausmaß) der Kategorie 3 („großer Schimmelpilzbefall“). Man kann davon ausgehen, dass Kleinstfällen – hierzu gehören z. B. „schwarze“ Siliconfugen von einigen Zentimeter Länge am Waschbecken oder in der Dusche – in der Regel durch Bewohner selbst beseitigt werden. Experten gehen davon aus, dass 60 bis 70% der betroffenen 4 Mio. Wohnungen in diese Kategorie fallen.

Eigene Erhebungen (Fragebogen) unter Handwerkern und Sachverständigen ergaben, dass mindestens die Hälfte auch der kleineren Flächen bis maximal einen halben Quadratmeter, die von Schimmelpilzbefall betroffen sind, von Betroffenen in Eigenleistung beseitigt werden. Zum Einsatz kommen Hausmittel (Essig), Haushaltsreiniger oder Desinfektionsmittel Desinfektionsmittel werden zum Abtöten von krankheitserregenden Mikroorganismen und Viren eingesetzt. Alkohole wirken bakterizid und fungizid, haben aber keinerlei Wirkungen gegen Sporen. und Alkohol. Experten gehen davon aus, dass 20 bis 30% der betroffenen 4 Mio. Wohnungen in diese Kategorie fallen. Die andere Hälfte wird in der Regel durch Maler o. ä. beseitigt. Diese Schimmelpilzsanierung Das Ziel einer Schimmelpilzsanierung ist die Herstellung eines „hygienischen Normalzustandes“. Vor der eigentlichen Sanierung sind die Ursachen für einen Schimmelpilzbefall wird häufig als „Pinselsanierung“ bezeichnet, da in vielen Fällen der mikrobielle Befall nur überstrichen wird, ohne die Ursachen für den Feuchte- und/oder Schimmelpilzschaden zu beheben. Die Befragung von Handwerkern und Sachverständigen ergab, dass die Durchschnittsfläche für derartige kosmetische Maßnahmen in der Regel 0,5 bis maximal 1 m² beträgt, auch wenn die Innenwände komplett gestrichen werden müssen.

Bei größeren Flächen (über 0,5 m²) und/oder dem Verdacht auf einen versteckten Befall und/oder auf gesundheitliche Belastungen und/oder bei gewerblichen Auftraggebern (z. B. Versicherungen nach einem sporadischen Wasserschaden Siehe sporadische Wasserschäden. ) werden in der Regel qualifizierte Fachfirmen beauftragt. Hierbei handelt es sich entweder um qualifizierte Malerfirmen, die sich auf die Schimmelpilzsanierung spezialisiert haben und diese Leistung in der Regel mit Maßnahmen der energetischen Sanierung Der Begriff Sanierung im Kontext der Schimmelpilzsanierung beschreibt die Beseitigung von Gefahren, Gefährdungen oder Belästigungen durch mikrobiellen Befall bis hin kombinieren, oder um spezielle Sanierungsfirmen, die sich auf die Sanierung von Feuchte- und/oder Schimmelpilzschäden spezialisiert haben (wie z. B. Trocknungsfirmen, Abdichtungsfirmen). Diese Firmen weisen in der Regel eine besondere Sachkunde auf und führen eine Schimmelpilzsanierung nach den Vorgaben der Regelwerke wie z. B. dem Leitfaden des Umweltbundesamtes oder der Netzwerke Schimmelpilzsanierung durch. Experten gehen davon aus, dass 5 bis maximal 10% der betroffenen 4 Mio. Wohnungen in diese Kategorie fallen und die zu sanierende Fläche im Durchschnitt bei 1 bis maximal 2 m² liegt. Diese Flächenangaben beziehen sich nicht nur auf Wandflächen, sondern auch auf Fußbodenkonstruktionen. Hinzu kommen gewerbliche Sanierungen wie Schulen, Kindergärten, Großküchen und dgl. sowie nicht unerhebliche Flächen des versteckten Befalls. Kurzum: jährlich werden mehr als 1 Mio. m² professionell saniert, die einen mehr oder weniger großen Schimmelpilzbefall aufweisen.

Derzeit bieten ca. 10.000 Handwerksfirmen (vor allem Maler) und etwa 800 Sanierungsfirmen eine professionelle Schimmelpilzsanierung an 4. Setzt man die o. g. Fläche ins Verhältnis, ergibt sich eine Sanierung von knapp 100 m² pro Jahr und Firma – ein durchaus realistischer Wert.

 


1 S. Brasche, E. Heinz, T. Hartmann, W. Richter und W. Bischof in „Vorkommen, Ursachen und gesundheitliche Aspekte von Feuchteschäden in Wohnungen – Ergebnisse einer repräsentativen Wohnungsstudie in Deutschland“
2 unveröffentlichte Daten des Robert Koch Institutes
3 u. a. Gesundheitsamt der Stadt Bremen, Pressestelle Landtag NRW, Sozialamt Stadt Berlin-Mitte
4 Eigene Recherche