Schimmelpilzbefall und sozioökonomische Einflüsse

In unterschiedlichen Publikationen, wurde der Frage nachgegangen, ob es zwischen dem Alter, Eigentumsverhältnissen, Armut und Arbeitslosigkeit sowie Migration einen kausalen Zusammenhang mit erhöhtem Aufkommen von Feuchteschäden und/oder Schimmelpilzbefall gibt. Einleitend soll festgehalten werden, dass ein Mensch als armutsgefährdet gilt, wenn sein Nettoeinkommen weniger als 60% des mittleren Nettoeinkommens der Bevölkerung beträgt. Dieser so genannte Schwellenwert der Armutsgefährdung liegt für einen alleinlebenden Menschen in Deutschland bei 1.250 Euro im Monat bzw. 15.000 Euro netto im Jahr. Aktuell betrifft dies knapp 15% der Bevölkerung. Menschen über 65 Jahre liegen mit über 18% über dem Bevölkerungsdurchschnitt. Aufgrund der gestiegenen Inflation, insbesondere bei Lebensmitteln und Energiepreise, ist davon auszugehen, dass die Armutsgefährdung weiter ansteigen wird. Die Gründe gehen aber über die aktuelle Preisentwicklung in der täglichen Lebensunterhaltung hinaus und können sehr unterschiedlich sein. Armutsforscher nennen diese den sozioökonomischen Status, der sich u. a. aus der beruflichen Position und dem Nettoeinkommen, dem Bildungsstand und weiteren Faktoren bestimmt. Hierzu gehören u. a. ein Migrationshintergrund, Alter und Geschlechtszugehörigkeit sowie der Familienstand. Bei alleinlebenden Eltern (meistens Frauen) kommt die Anzahl minderjähriger Kinder hinzu.

In Auswertung der Ergebnisse verschiedener Publikationen1,2,3 kann man festhalten, dass in allen Altersklassen die Armutsgefährdungsquote bei Frauen höher ist als bei Männern. Menschen, die erwerbslos sind, mit einem niedrigen Bildungsstand, ohne Schulausbildung und/oder mit Migrationshintergrund sowie insbesondere Alleinerziehende sind insbesondere von Armut betroffen. Wenn sich mehrere dieser Faktoren kumulieren, erhöht sich die Armutsquote entsprechend. Hinzu kommen regionale Unterschiede. In den östlichen Bundesländern sind mehr Menschen von Armut betroffen als im restlichen Bundesgebiet. Ebenfalls kann ein Gefälle zwischen den nördlichen und südlichen Bundesländern festgestellt werden. Ausschlaggebend hierfür ist neben der Urbanisierung das Bruttoinlandprodukt der einzelnen Bundesländer. Die Kernbotschaft in allen Publikationen, die einen Zusammenhang zwischen sozioökonomischen Einflüssen und dem Auftreten von Feuchteschäden und/oder Schimmelpilzbefall untersucht haben, lautet: im Umfeld von armutsgefährdeten Menschen werden statistisch betrachtet mehr Feuchteschäden und/oder Schimmelpilzschäden beobachtet, so dass sich das dadurch bedingte gesundheitliche Risiko signifikant erhöht. Hierbei beziehen sich die Verfasser u. a. auf Studien der WHO Abk. für World Health Organization, die Weltgesundheitsorganisation – 1946 in New York gegründet und seit 1948 als größte Organisation der (Weltgesundheitsorganisation) und des Robert Koch Instituts (RKI).4,5

Hintergrund dieser Beobachtung ist zum einen, dass armutsgefährdete Menschen häufig in Gebäuden mit Sozialwohnungen leben, deren bautechnische Ausstattung ( Wärmedämmung Wärmedämmung ist der Oberbegriff für bautechnische Maßnahmen an Gebäuden und die effizienteste Maßnahme zur Einsparung von Heiz- und Kühlenergie sowie , Fensterlüftung, Fußbodenheizung u. a.) in der Regel einen schlechteren Zustand haben und Feuchteschäden und/oder Schimmelpilzbefall begünstigen. Weiterhin ist erwiesen, dass es armutsgefährdete Menschen in der Regel schwerer haben, ihr Recht z. B. in einem Schadensfall durchzusetzen, da sie gegenüber dem Vermieter in der Regel in einer schlechteren Verhandlungsposition sind, sich einen Gerichtsstreit und/oder Auszug nicht leisten können. Hinzu kommt, dass ein Umzug in Wohnungen mit einer besseren Ausstattung nicht nur aus finanziellen Gründen nicht möglich ist, sondern vor allem an fehlendem Wohnraum liegt. Bei Menschen mit Migrationshintergrund kommen oftmals sprachliche Probleme hinzu, die nicht nur die Kommunikation mit Vermietern und/oder Behörden erschwert, sondern auch die Informationsbeschaffung. Erschwerend kommt hinzu, dass armutsgefährdete Menschen in der Gesellschaft keine Lobby haben.

Nach dem statistischen Bundesamt6 leben vor allem armutsgefährdete Menschen aufgrund stark gestiegener Mieten meistens in kleineren Wohnungen und/oder bewohnen diese mit mehreren Menschen. Dadurch sinkt die Wohnfläche pro Person und steigt gleichzeitig die Luftfeuchtigkeit In der Umgebungsluft befinden sich stets mehr oder weniger große Mengen an Wasserdampf. Der Anteil an Wasserdampf kann örtlich und pro Raumvolumen – Letzteres ist eine signifikante Kenngröße für Schimmelpilzbefall in schlecht wärmegedämmten Wohnungen. Hierbei ist die Höhe der Miete in der Regel umgekehrt proportional zur Verfügung stehenden Wohnfläche. Das statistische Bundesamt bestätigt6, dass Feuchteschäden und Schimmelpilzbefall in Wohnungen, die durch armutsgefährdete Menschen bewohnt werden, häufiger auftreten (22%) als in Wohnungen, die von Menschen oberhalb der Armutsgrenze bewohnt werden (12%). Als Mängel durch Feuchtigkeit werden z. B. feuchte Wände, Undichtigkeiten in der Gebäudehülle oder Fäulnis Im Gegensatz zur Fäule wird unter Fäulnis die Zersetzung organischer Substanzen durch Mikroorganismen (einschließlich der Pilze) verstanden. Allgemein und umgangssprachlich an Fensterrahmen genannt. Auch das RKI bestätigt in seiner Studie5, dass Feuchte- und/oder Schimmelpilzbefall in Wohnungen, die von Menschen mit einem niedrigen Sozialstatus bewohnt werden, mehr als doppelt so oft auftreten, als bei Menschen mit hohem Sozialstatus. Die WHO bestätigt die Angaben des RKI im europäischen Vergleich.

Neu hinzu gekommen ist, dass diese Menschen in der Regel auch von einer so genannten Energiearmut betroffen sind. Hierzu zählen Menschen, die aus finanziellen Gründen ihre Wohnung nicht ausreichend warmhalten können. Lt. Angaben des statistischen Bundesamtes sind in Deutschland 5,5 Millionen Menschen betroffen; dies entspricht ca. 6,6% der Bevölkerung. Der Anteil hat sich gegenüber dem Jahr 2021 verdoppelt. Besonders betroffen sind alleinerziehende Mütter (14,1%) sowie Haushalte mit drei und mehr Kindern (9,7%). Durch Energiearmut wird der Wohnraum nicht effizient beheizt und belüftet, so dass das Risiko für Feuchteschäden und/oder Schimmelpilzbefall ansteigt. Die Situation wird dadurch verschärft, dass Menschen mit sehr geringem Einkommen viel häufiger in schlecht gedämmten Wohnungen leben und auch in Bezug auf andere Aspekte schlechter ausgestattet sind (siehe oben). Durch die stark gestiegenen Energiepreise wird dieses Problem noch zunehmen.

Der Studie5 des RKI kann außerdem entnommen werden, dass Feuchteschäden und/oder Schimmelpilzbefall in 10,4% der Wohnungen von Menschen mit Migrationshintergrund auftreten. Bei einheimischen Menschen wären dies dagegen nur 4,4%. Zu ähnlichen Ergebnissen7 kam auch das Umweltbundesamt Zu den Aufgaben des Umweltbundesamtes (UBA) gehören u. a. die wissenschaftliche Unterstützung und Beratung des BMU und der Bundesregierung in und die einzige Studie8, die hierzu durchgeführt wurde. Die nachfolgende Grafik fasst die Ergebnisse des statistischen Bundesamtes, des Robert Koch Instituts und des Umweltbundesamtes zusammen.

Die WHO weist darauf hin, dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem baulichen Zustand von Gebäuden und Wohnungen mit schlechter Wohnqualität und Energiearmut sowie dem Gesundheitszustand der Bewohner gibt. Armutsgefährdete Menschen leben im Durchschnitt kürzer als andere; offizielle Zahlen hierzu gibt es nicht. Eine einfache Lösung könnte sein, dass diese Menschen in energieeffizienten Gebäuden wohnen würden, um somit der Energiearmut entgegenzuwirken. Denn, nicht selten werden in Wohnungen von armutsgefährdeten Menschen die Heizkörper herunter gedrosselt, um Energiekosten zu sparen. Im Ergebnis liegt die Raumtemperatur beständig bei 18 °C und darunter. Dies fördert nicht nur taupunktbedingtes Kondenswasser an Wärmebrücken Wärmebrücken (auch als Kältebrücken bezeichnet) sind Stellen in der Gebäudehülle, in denen örtlich begrenzt ein größerer Wärmefluss als im Übrigen , sondern auch chronische Erkrankungen der Atemwege und rheumatische Verspannungen und schwächt die Abwehrkräfte5. Infolgedessen ist auch das gesundheitliche Risiko durch das Auftreten von Feuchteschäden und/oder Schimmelpilzbefall in Wohnungen, in denen armutsgefährdete Menschen leben, höher. Das Problem ist, dass es in Deutschland keine gesetzlichen Grenz-, Richt- oder Orientierungswerte Orientierungswerte sind der Oberbegriff für Hintergrund- oder Referenzwerte, mit deren Hilfe man sich „an etwas orientieren“ kann. Dies kann zum für Schimmelpilzbelastungen in privat genutzten Innenräumen gibt.

Aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse gehen Experten davon aus, dass Feuchteschäden und/oder Schimmelpilzbefall geruchliche Wirkungen, unspezifische Befindlichkeitsstörungen sowie reizende und/oder irritativ-toxische Effekte, sensibilisierende und allergische Reaktionen bis hin zu Infektionen verursachen können. In erster Linie sind dies Irritationen bzw. Reizungen der Schleimhäute von Augen und Atemwege, allergische Erkrankungen der oberen (allergische Rhinitis Eine Rhinitis ist ein Schnupfen, der unterschiedliche Ursachen haben kann. Von einer allergischen Rhinitis spricht man, wenn sie allergischen Ursprungs ) oder unteren Atemwege ( Asthma bronchiale Anfälle von Atemnot mit besonders erschwerter Ausatmung, verursacht durch eine Schwellung der Bronchialschleimhaut, die Absonderung eines zähen Schleims aus den ), allergische Erkrankungen der Haut (atopisches Ekzem Der Begriff Ekzem wurde aus dem Griechischen (έκζεμα ekzema = „Aufgegangenes“) abgeleitet. Es handelt sich um eine Hauterkrankung, die sich , Neurodermitis) oder Bindehäute der Augen (allergische Konjunktivitis Symptom der Typ-I-Allergie. Die Bindehautentzündung (Konjunktivitis) wird in der Regel - keineswegs immer - allergisch verursacht, z. B. bei einer ) bis hin zu Pilzinfektionen (Mykosen) durch das Einatmen von Schimmelpilzsporen. Betroffen sind vor allem Menschen mit einer Immunschwäche oder Autoimmunerkrankungen. Zur Info: eine Sensibilisierung Leitet der Körper bei einem Erstkontakt mit einem Stoff eine falsche, weil unnötige, Abwehrmaßnahme ein, spricht man von Sensibilisierung. Der gegenüber innenraumassoziierten Schimmelpilzallergenen liegt lt. Robert Koch Institut bei 5 bis 10% der Bevölkerung, wobei eine Sensibilisierung noch nicht mit einer Allergie Als Allergie (griechisch αλλεργία, „die Fremdreaktion“, von altgriechisch ἄλλος allos, „anders, fremd“ und ἔργον ergon, „die Arbeit, Reaktion“) versteht man gleichgesetzt werden kann.

 


1 Dullin/Tempel in „Um Schimmels Willen: Feuchteschäden in Wohnräumen und Soziale Lage“ (Gesundheitsamt Bremen/Abteilung Gesundheit Umgangssprachlich ist es üblich, Gesundheit mit dem Gegenteil oder der Abwesenheit von Krankheit zu beschreiben. Auch wenn die individuelle Gesundheit und Umwelt)
2 Wiesmüller u. a. in AWMF-Schimmelpilz-Leitlinie „Medizinisch klinische Diagnostik bei Schimmelpilzexposition in Innenräumen“
3 Unbekannt in „ Schimmel Umgangssprachlicher Begriff für Schimmelpilze. im Innenraum Ein Innenraum im Kontext der Schimmelpilzanalyse und -sanierung sind Wohnungen mit Wohn-, Schlaf-, Kinder-, Arbeits-, Hobby-, Sport- und Kellerräume usw. – gesundheitliche Symptome Der Begriff Symptome ist in Bezug auf Schimmelpilze in Innenräumen mehrfach belegt. Zum einen geht es um die Symptome, die und Zusammenhänge mit Armutsgefährdung“ in Heft 5/2021, Jg. 26 „ Umweltmedizin Die Umweltmedizin ist ein Teilgebiet der Medizin, das sich mit dem Einfluss der Umwelt auf die Gesundheit befasst. Die Lehre Hygiene Das Wort Hygiene stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „eine der Gesundheit zuträgliche Kunst“. Es ist von – Arbeitsmedizin“
4 WHO Europa in „Wohnen und Gesundheit – ein Überblick“ www.euro.who.int/budapest2004
5 Robert Koch Institut in „Bundes-Gesundheitssurvey 1998“
6 Statistisches Bundesamt in „Armut und Lebensbedingungen. Ergebnisse aus Leben in Europa für Deutschland“ http://www.destatis.de/download/d/dt_erheb/eu_silc_end.pdf
7 Kinder-Umwelt-Survey des Umweltbundesamtes 2003/06
8 S. Brasche, E. Heinz, T. Hartmann, W. Richter und W. Bischof in „Vorkommen, Ursachen und gesundheitliche Aspekte von Feuchteschäden in Wohnungen – Ergebnisse einer repräsentativen Wohnungsstudie in Deutschland“